Ratgeber & Podcast

für Franchisezentralen

Wieviel Systemvorgaben brauchen erfolgreiche Franchise-Systeme?

Die Urform der Pioniere des Franchising im ausgehenden 19. Jahrhundert war eine stringente Kooperation ausgerichtet auf das konsequente Umsetzen eines erfolgreich erprobten Geschäftskonzeptes. Bei FORD und SINGER ging es um ein marktweit einheitlich auftretendes Vertriebsnetz mit hochqualifizierten Partnern, die anspruchsvolle Produkte verkaufen und reparieren konnten. COCA-COLA suchte selbstständige Partner, die nach strengen Vorgaben vor Ort aus einem Konzentrat Softdrinks von einheitlicher Qualität herstellen und als Getränkegroßhändler distribuieren konnten. Die Franchise-Geber verfolgten also strategische Ziele mit Hilfe selbstständiger Unternehmer.

In dieser Konstellation waren strenge Vorgaben für Erscheinungsbild, Werbung Verkaufsprozess und Service unverzichtbar. Davon abgesehen mussten die Franchise-Geber im Interesse der Marktpräsenz und des Goodwills ihrer Marke durch qualitatives und quantitatives Monitoring darauf achten, dass die Franchise-Partner konzeptionsgerecht vorgingen, profitabel waren, und somit das Vertriebsnetz stabil blieb. Mit diesen Zielen war die als „Business Format Franchising “ bezeichnete Urform des Franchising „hart“.

Daran hat sich nichts geändert. Auch heute entspricht die weitaus überwiegende Mehrzahl der größeren und erfolgreichen Franchise-Systeme dem Modell des Business Format Franchising. In der im „Ethikkodex“ des Deutschen Franchise-Verbands enthaltenen offiziellen Definition kommt dies klar zum Ausdruck: „Franchising … gründet sich auf eine enge und fortlaufende Zusammenarbeit rechtlich und finanziell selbstständiger und unabhängiger Unternehmer … Der Franchise-Geber gewährt seinen Franchise-Nehmern das Recht und legt Ihnen gleichzeitig die Verpflichtung auf, ein Geschäft entsprechend seinem Konzept zu betreiben. Das Recht berechtigt und verpflichtet den Franchise-Nehmer …, bei laufender technischer und betriebswirtschaftlicher Unterstützung durch den Franchise-Geber den Systemnamen … sowie das Know-how, die wirtschaftlichen und technischen Methoden des Geschäftssystems des Franchise-Gebers zu nutzen.“ Daraus lässt sich klar der Umfang der Vorgaben sowie der Unterstützung des Franchise-Nehmers durch den Franchise-Geber einschließlich System-Controlling seines Erfolgs ableiten.

In der Praxis sind teilweise Franchise-Systeme zu finden, bei denen die Unterstützung der Franchise-Nehmer durch die System-Zentrale auf ein Minimum reduziert ist und ein qualitatives sowie quantitatives Controlling durch den Franchise-Geber weitgehend entfällt. Diese Variante des Franchising wird im Allgemeinen als „Lizenzsystem“ bezeichnet, manchmal auch als „Soft-Franchising“. Sie kommt insbesondere innerhalb von Verbundgruppen des Handels vor, die im Zug der marktbedingt fortschreitenden Ausrichtung auf den Absatz franchise-ähnliche Formen annehmen oder mit einem Teil ihrer Mitglieder in bestimmten Segmenten nach dem Prinzip des Franchising kooperieren. Hier beschränken sich die Vorgaben in der Regel auf die Umsetzung des Geschäftstyps an sich, d.h. Sortiment oder Dienstleistungsprogramm, Erscheinungsbild (Corporate Design), Bezugsverpflichtung und Logistik. Hinzu kommen gewöhnlich Erfahrungsaustauschtagungen, ein motivierendes Jahrestreffen sowie eine „Speisekarte“ zur Auswahl unterstützender Dienstleistungen gegen Entgelt . In der Regel sind die Anforderungskriterien an die Franchise-Nehmer weniger ausgeprägt und daher die Zugangsbarrieren niedrig.

Diese „weiche“ Variante des Franchising ist aber auch für weniger kapitalstarke Franchise-Geber attraktiv, weil sie das System mit wesentlich geringeren Investitionen entwickeln und aufbauen können. Aufgrund der geringeren Anforderungen an Franchise-Nehmer können sie zudem schneller expandieren und in Anbetracht der begrenzten Service-Intensität mit ihrer System-Zentrale leichter die „Durststrecke“ bis break even überwinden.

Bei der Frage nach dem notwendigen Maß der Vorgaben sowie in Verbindung damit auch der Unterstützung und Betreuung sind vor allem die Unternehmensziele des Franchise-Gebers und die daraus abgeleitete Markterschließungsstrategie zu beachten. Hier gibt es erhebliche Unterschiede. Ein großer Teil der marktprägenden Franchise-Systeme hat eine strategische Mission: Hersteller suchen „quasi-eigene“ und sichere Vertriebskanäle, Großhändler wollen ihre Kunden binden, Filialisten suchen Netzverdichter, Dienstleister expandieren großflächig, Systemköpfe des Handels und Handwerks multiplizieren neue Betriebstypen.
 

Angesichts solcher Zielvorgaben liegt es auf der Hand, dass nur eine straffe und konsequent geführte Kooperation mit klaren Vorgaben und strenger Selektion der Partner in Frage kommt: Business Format Franchising!

Bei der „weichen“ Variante des Franchising sind strategische Aspekte im allgemeinen weniger ausgeprägt. Ein besonderer Fall sind Verbundgruppen, die sich zunehmend zu Absatzorganisationen entwickeln. Hier geht es um konvertierendes Franchising innerhalb einer bestehenden Gruppe. Franchise-Nehmer sind die Verbundgruppenmitglieder. Keiner darf ausgegrenzt werden. Zudem gehört letztlich der Franchise-Geber den Franchise-Nehmern und hat daher nur begrenzte Durchsetzungsmacht. Eine solche Konstellation schließt ein „hartes“ Vorgehen ohnehin aus.

Davon abgesehen ist ein „weiches“ Franchise-System mit wenigen Vorgaben allenfalls dort vertretbar, wo relativ einfache standardisierte Produkte oder Dienstleistungen über ein stark differenziertes Netz mit sehr vielen Partnern vertrieben werden, und der Ausfall einzelner Partner keinen nennenswerten Imageschaden anrichten kann. Sind anspruchsvolle Produkte bzw. Dienstleistungen zu vermarkten und / oder tritt das Franchise-System unter einer großen Marke auf, dürfte „Soft-Franchising“ in der Regel ausscheiden. Hier würde ein Ausfall von Franchise-Nehmern oder Minderqualität ihrer Marktleistungen zu einem Imageschaden führen, durch den das immaterielle Kapital des Franchise-Gebers beschädigt und die Erfolgschancen der übrigen Franchise-Nehmer beeinträchtigt werden. Die zunehmende Verbreitung und Reaktionsgeschwindigkeit der modernen Medien verstärkt diese Gefahr noch. Welcher Effekt entstehen kann, lässt sich erahnen, wenn man sich vorstellt, dass ein Massenblatt und das Fernsehen an prominenter Stelle über den Verkauf von Gammelfleisch durch einen einzigen Franchise-Nehmer von McDonald’s berichten würde. Vor diesem Hintergrund hat Soft-Franchising mit seinen geringen Vorgaben, Services und Kontrollen ein begrenztes Anwendungsspektrum.

©copyright 09.03.12 Dr. Hubertus Boehm

Dr. Hubertus Boehm
SYNCON Consulting GmbH

Dr. Hubertus Boehm ist seit 1972 auf die Entwicklung von Franchise-Systemen spezialisiert und gehört auf diesem Gebiet zu den Pionieren im deutschsprachigen Raum.

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