Junge vs. alte Franchisesysteme – was eignet sich für wen?
Jung oder alt – welchen Unterschied macht das bei Franchisesystemen?
Einiges ist bei Franchisesystemen etwas komplizierter als in anderen Geschäftsmodellen der Wirtschaft. Das beginnt schon bei der Antwort auf die Frage, ob ein Franchisesystem tatsächlich jung oder alt ist, wobei die Betonung auf „tatsächlich“ liegt.
Beispiel: Zwei Franchisesysteme sind seit sechs Monaten auf dem Markt und suchen Franchisepartner. Auf den ersten Blick handelt es sich offensichtlich um junge Systeme. Auf den zweiten Blick zeigt sich aber, dass einer der beiden Franchisegeber ein Start-Up Unternehmen ist. Die Geschäftsidee ist zwar überzeugend und es gibt tatsächlich einen oder zwei Referenzbetriebe. Aber hat dieser Franchisegeber überhaupt die notwendige Infrastruktur und die finanziellen Ressourcen, das Franchisesystem in absehbarer Zeit am Markt zu etablieren und seine Franchisepartner mit den zugesagten Leistungen zu unterstützen?
Hinter dem zweiten Teil unseres Beispiels steht ein reales Unternehmen, das vor vierzig Jahren von dem dänischen Kaufmann Lars Larsen gegründet wurde und heute über 2.700 Geschäfte in 51 Ländern betreibt. In 20 Ländern als Franchisegeber, in Deutschland über ein eigenes Filialnetz. Wenn dieses Unternehmen sich entscheiden würde, die künftige Expansion bei uns nun im Franchising voran zu treiben, wäre das rein theoretisch ein junges Franchisesystem. Aber das Know-how und die Ressourcen des dahinter stehenden Unternehmens wäre eine absolut „sichere Bank“ für die Franchisepartner und die Frage, ob das Konzept tatsächlich funktioniert, erübrigt sich mit einem Blick auf die äußerst erfolgreiche Historie des Unternehmens.
Der Unterschied für den Erfolg eines Franchisesystems ergibt sich immer aus dem tatsächlichen Hintergrund des Franchisegebers – die Frage ob jung oder alt ist dabei lediglich eine Facette im Gesamtbild. Im Vergleich zu einem jungen Franchisesystem haben Franchisepartner bei einem alten Franchisesystem den großen Vorteil, bei den Kunden bereits als Marke bekannt zu sein. Das erleichtert die regionale Markterschließung deutlich und beschleunigt die Anlaufphase insgesamt. Trotzdem ist ein lange etabliertes Franchisesystem kein Erfolgsgarant, denn strategische Fehler beim Franchisegeber führen auch unweigerlich zu Konsequenzen beim Franchisenehmer.
Erfolge lassen sich durch Franchising auf intelligente und höchst effektive Art und Weise multiplizieren – Fehler des Franchisegebers multiplizieren sich aber leider ebenso schnell.
Der Tiefkühllieferant Eismann war einstmals, gemessen an der Anzahl seiner Partner, das größte nationale Franchisesystem und dessen Geschäftsführer, Herr Udo Floto, war zudem mehrere Jahre Präsident des Deutschen Franchiseverbandes (DFV). Aus dem Franchisevertrag ergaben sich jedoch organisatorische Sachzwänge, die nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs den Franchisenehmer nicht als selbstständigen Unternehmen, sondern als angestellten Verkaufsfahrer betrachteten. Das Unternehmen ist immer noch tätig, aber nicht mehr als Franchisegeber.
Regelmäßig versuchen Franchisegeber aus anderen Ländern mit jahrelanger Erfahrung, sich in Deutschland am Markt zu etablieren. Die Rahmenbedingungen sind aber von Land zu Land ebenso unterschiedlich wie die Marktmentalität der Kunden. Die internationale Bedeutung des Systems ist ein Anhaltspunkt, eine Erfolgsgarantie für den deutschen Markt ist es aber nicht.
Zudem werden in diesen Fällen oft Franchisegebühren verlangt, die für die angebotene Systemunterstützung schlicht und einfach überzogen sind. Das Konzept hat sich beim länderübergreifenden Transfer durch Investitionen in die Masterlizenz, Beraterprovisionen und zahlreiche weitere Vorlaufkosten natürlich verteuert und muss diese Kosten über die Franchisenehmer zusätzlich verdienen.
Im wörtlichen Sinne junge Franchisesysteme entstehen aus unterschiedlichen Gründen. Häufig ist es ein Start-Up Team, das die eigene Berufserfahrung mit einer innovativen Idee verknüpft und damit die Basis für eine mögliche Expansion durch Franchisepartner liefert. Nun geht es darum, die reine Geschäftsidee zu einem multiplizierbaren Geschäftskonzept mit dokumentiertem Know-how und standardisierten Arbeitsprozessen zu entwickeln. Die Idee muss von den geistigen Urhebern abgekoppelt und auf geeignete Dritte übertragbar gemacht werden. Oft ist die Finanzdecke dieser jungen Unternehmen aber zu dünn, um diese komplexen Aufgaben professionell und in überschaubaren Zeiträumen zu erledigen oder von externen Beratern erledigen zu lassen.
Unerfahrenheit mit der Realität des Franchising, Fehleinschätzungen und mangelnde Professionalität lassen dann ein Franchisesystem entstehen, das möglicherweise die ersten zwei oder drei Jahre seines Marktauftritts nicht überlebt. Da wird mit Franchiseverträgen gearbeitet, die ohne die erforderliche Fachkompetenz und ohne Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung entstanden sind. Schon beim ersten ernsthaften Konflikt zwischen Franchisegeber und einem seiner (noch wenigen) Partner hält der Franchisevertrag einer gerichtlichen Auseinandersetzung nicht stand oder ist bei elementaren Regelungen sogar nichtig. Oder durch das fehlende Systemhandbuch entstehen Haftungsrisiken, die das gesamte System in seinen Grundfesten erschüttern und blockieren oder sogar das komplette Ende bedeuten.
Die Quote des Scheiterns ist bei jüngeren Franchise-Unternehmen mit Start-Up Hintergrund tatsächlich deutlich höher als bei älteren und das Risiko für den einzelnen Franchisenehmer tatsächlich höher. Sehr viel besser sieht es aus, wenn hinter dem jungen Franchisesystem ein Industrieunternehmen steht. So ist das Franchisesystem BackFactory als Tochterunternehmen von Harry Brot sehr schnell erfolgreich geworden – und mit ihm zahlreiche Franchisepartner.
Ist älter immer besser?
Ein Franchisesystem mit 50 oder 100 Franchisebetrieben beweist wie Erfolg organisiert wird – und das nicht erst seit gestern. Die Vorteile beginnen bereits bei der Gründung selbst, denn der Franchisenehmer hat einen Informationsvorsprung im Vergleich zu einer Individualgründung. Die Qualität der Gründungsplanung ist deutlich höher als bei einem jungen System, da Kosten- und Ertragsdaten aus dem laufenden Betrieb bereits tätiger Franchisenehmer stammen und die Chancen, eine optimale Finanzierung zu bekommen, sind gut. Eine professionelle Betreuungsorganisation, bestmögliche Einkaufskonditionen zu nutzen und von einer bereits bekannten Marke zu profitieren, kann ein Franchisenehmer in etablierten Systemen erwarten.
Aber auch in der an sich innovativen Franchisewirtschaft kommt es vor, dass sich in älteren Systemen bürokratische Tendenzen bemerkbar machen. Da versickern dann Ideen und Innovationen in der Systemzentrale, weil die Entscheider aus Angst vor Fehlern lieber gar nichts entscheiden. Oft wird bei der Suche nach einem älteren Franchisesystem übersehen, dass durch die bereits erreichte Marktpräsenz nicht mehr der persönliche Wunschstandort zur Verfügung steht. Der Familienumzug in eine andere Stadt ist dann die nachteilige Folge, um einen Franchisebetrieb zu eröffnen.
Älter ist manchmal nicht nur besser, sondern schon so gut, dass große Mitbewerber oder internationale Beteiligungsgesellschaften das komplette Franchiseunternehmen kaufen. Das muss kein Nachteil sein, aber die Übernahme geht doch oft mit Veränderungen in der Geschäftsführung und der Unternehmensphilosophie oder einer Veränderung des Marktauftritts einher.
Was bei älteren Systemen als Nachteil empfunden werden kann, ist bei jüngeren Systemen manchmal eher vorteilhaft. Es gibt viele freie Standorte, ein fast familiär organisiertes Systemmanagement unterstützt auf dem kurzen Dienstweg und ohne Hierarchieebenen. Bleibt die Organisation der Systemzentrale jedoch hinter den Anforderungen des wachsenden Systems zurück, besteht die Gefahr einer kompletten wirtschaftlichen Bruchlandung. Und je nach Verhandlungsposition macht der Franchisegeber von Fall zu Fall sogar Zugeständnisse bei den Franchisegebühren.
Gerade bei jüngeren Franchisesystemen ist die Quote der sogenannten First-Mover recht hoch. Das sind Unternehmen, die als eine der ersten eine neue Geschäftsidee in den Markt tragen – teilweise als echte Pioniere, die markttechnisches Neuland betreten. Wer persönlich bereit ist, etwas mehr Risiko einzugehen und sich damit anfreunden kann, dass die Markenbekanntheit noch unterwickelt ist und einige Leistungen des Franchisegebers noch nicht perfekt erbracht werden – für den ist ein jüngeres System eine mögliche Alternative.
Die Erfahrungen aus dem täglichen Betrieb sind nur bedingt aussagefähig, da es noch zu wenige Standorte gibt. Überregionale Werbung findet nur in den sozialen Medien statt und erreicht nicht jeden. Die Einkaufskonditionen sind auch noch nicht sensationell, da das Franchisesystem für die Lieferanten noch unter ferner liefen geführt wird.
Und trotzdem ist auch ein junges Franchisekonzept im Zweifel besser als eine vergleichbare Individualgründung, bei der es beim Start überhaupt keine Referenzwerte gibt.
Allerdings sollten auch bei einem jungen Franchisesystem schon bei Beginn der Partnerakquise die Expansionsziele ebenso klar sein, wie das gesuchte Profil der idealen Franchisepartner. Bei der Auswahl von Franchisepartnern werden immer wieder zu viele Kompromisse gemacht, nur um in der Landkarte ein weiteres rotes Fähnchen für einen neuen Standort setzen zu können. Das Wachstum gerade junger Systeme wird stark durch den unternehmerischen Erfolg der ersten Franchisenehmer geprägt. Gibt es unter den ersten Partnern bereits die eine oder andere Geschäftsaufgabe oder Vertragsauflösung, schadet das der Partnerakquise und dem Wachstum des Systems insgesamt.
Fazit
Etablierte Franchisesysteme sind keine Garantie für Erfolg und junge Systeme können in kurzer Zeit zum Shooting Star einer ganzen Branche werden – beides ist möglich. Daher kann die Entscheidung, wie jung oder alt ein Franchisesystem ist, dem ich als Franchisenehmer beitreten möchte, immer nur individuell getroffen werden. Zu viele Faktoren spielen dabei eine Rolle, die aber mit Unterstützung eines franchise-erfahrenen Beraters sortiert und bewertet werden können, um eine solide Entscheidung zu treffen. Ansonsten ist es wie bei den Menschen – der Unterschied zwischen Jung und Alt in der Persönlichkeit ist mehr als nur das Geburtsdatum.