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Fairplay: Werte-orientiertes Franchising

Waltraud Martius: Guten Morgen, liebe Chat-Teilnehmer, freue mich auf Ihre Fragen und Diskussionsbeiträge, insbesondere zum Thema des Fairplay im Franchising. Ihre Waltraud Martius

Leser: Einen schönen guten Morgen, Frau Martius. Welche Phasen lassen sich nach Ihrer Erfahrung bei der Integration eines neuen Partners in ein Franchise-Unternehmen unterscheiden? Wo liegen jeweils die Schwerpunkte?

Waltraud Martius: Ich spreche gerne vom Lebenszyklus einer Franchisepartnerschaft. Die erste Phase ist die des Kennenlernens, des "Sich-Begegnen" und Aufstellen der gegenseitigen Erwartungen. Da ist Ehrlichkeit und nicht zu viele Versprechungen, die dann nicht eingehalten werden können, ganz wesentlich. In der Systemintegration des Partners geht es dann um das professionelle Einbinden des neuen Partners. Rituale wie neue Partner in das bestehende Netzwerk aufgenommen werden, sind hier genauso wichtig wie die professionelle Grundausbildung des neuen Partners und seiner Mitarbeiter. Und dann geht es in die laufende Partnerschaft. Professionelles Partnermanagment unterstützt hier die FNs in der Erreichung ihrer Ziele. Aber auch die "alten Hasen" gehören gehegt und gepflegt. Und in die Weiterentwicklung des Systems eingebunden. Partizipation ist hier das Zauberwort. Und schließlich ist es auch wichtig, wie Sie sich von einem FN wieder trennen, so dass beide Seiten erhobenen Hauptes die gemeinsame Bühne verlassen können.

Leser: Liebe Frau Martius: Mit welchen Maßnahmen kann ein Franchise-Unternehmen einem neuen Partner den Einstieg erleichtern?

Waltraud Martius: Die Systemintegration eines neuen Partner muss alle Bereiche des Franchisepaketes umfassen. FN sind intelligente Unternehmer, die erkennen, dass sie das Rad nicht neu erfinden müssen und sich auf das KnowHow und die Erfahrungen des Franchise-Systems verlassen sollten. Wir empfehlen einen sogeannten PAN-Plan zu erstellen, der alle Details enthält um den neuen FN gut, sogar sehr gut, zu integrieren. Training des FN und seiner Mitarbeiter, Marketing - und Vetriebsplanung, Standortsicherung, Business Plan usw. sind hier die passenden Schlagworte. Alle Mitarbeiter der Systemzentrale und die externen Experten sind in die Erstellung dieses PAN-Planes einzubinden.

Leser: Guten Morgen allerseits: Auf welche Themenbereiche sollte sich der Partnerbetreuer in der frühen Einführungsphase des Franchisenehmers konzentrieren?

Waltraud Martius: Die wichtigste Aufgabe des PM ist der Know-How-Transfer. Dem FN alles an die Hand zu geben, damit er innerhalb kürzester Zeit in seiner Branche zum "Platzhirsch" werden kann. Dazu gehört das Wissen um die zu verkaufenden Produkte und zu erbringenden Dienstleistungen genauso wie Verkaufserfahrung und Umgang mit Kunden. Aber wie erfolgt Marketing im System und warum ist Controllung so wichtig? Die Basis dafür ist das Systemhandbuch, das all dieses Wissen und die dazu notwendigen Richtlinien und Standards zu enthalten hat.

Leser: Sehr geehrte Frau Martius, ich bin seit 5 Jahren Partner einer "Mogelpackung", alle Versuche gegenseitiges Vertrauen, Transparenz und Vertrauen herzustellen sind bisher gescheitert. Vielleicht haben Sie noch eine Idee für diese festgefahrene Situation?

Waltraud Martius: Oje, das ist aber schlimm, wieso Mogelpackung?? Können Sie mir das kurz beschreiben? Verdienen Sie kein Geld, werden Sie nicht beraten und betreut?? Möchten Sie aussteigen???

Leser: Der Begriff "PAN-Plan" ist mir noch nicht begegnet. Wofür steht die Abkürzung PAN?

Waltraud Martius: Entschuldigung, beim schnellen Tippen habe ich die Erklärung vergessen. PAN steht für "Partner ans Netz"...

Leser: Auf welche Weise sollten die besonderen Regeln und Rituale der Gemeinschaft dem neuen Franchise-Partner vermittelt werden?

Waltraud Martius: Am besten durch TUN, aber auch durch Erklären der Hintergründe von Regeln und Standards. Partner müssen verstehen, warum Controlling für alle im System wichtig ist.... und am besten natürlich durch gemeinsames Erleben, z.B. auf Jahrestagungen.

Leser: Wie viele neue Franchise-Nehmer verträgt ein Franchise-System pro Jahr, ohne die Weiterentwicklung der Systemzentrale und die Integrationsfähigkeit des Netzwerkes zu überfordern?

Waltraud Martius: Das hängt vom Anforderungsprofil des FN ab und wie viel Support in der Systemintegration notwendig ist. Und es hängt von der Personal-Ausstattung der Systemzentrale ab. Wenn Sie eine kleine Zentrale sind, sollten nicht mehr als 5 bis 7 pro Jahr integriert werden. Wenn die Personalausstattung entsprechend ist, sind nach oben keine Grenzen gesetzt. Aber lieber weniger und dafür sehr gut integriert und ab dem ersten Tag erfolgreich.

Leser: Wir stehen vor der Einstellung unseres ersten Partnermanagers. Auf welche Fähigkeiten und Kenntnisse sollten wir besonderen Wert legen? Gibt es ein systemübergreifendes Idealprofil?

Waltraud Martius: Ich kann Ihnen, wenn Sie mir eine Mail senden, eine Stellenbeschreibung zukomen lassen. Die gibt es normalerweise bei uns im Shop zu kaufen, aber ich sende sie Ihnen gerne kostenlos zu. PM brauchen soziale Kompetenz im Umgang mit selbstständigen Unternehmern. Und sie sollten ihr eigenes Konzept und ihr Franchisesystem gut kennen, um ein anerkannter Ansprechpartner für die FNs zu sein. Wir erleben immer wieder, dass neu eingestellte PM den FV oder die Inhalte des Systemhandbuches nicht mal kennen. Vorallendingen müssen PMs mit dem System authentisch sein. Betriebswirtschaftliche Grundlagen sind sicherlich von Vorteil.

Leser: Sie erwähnten eben das Controlling: Welche Faktoren auf Seiten des Franchisenehmer-Betriebes würden Sie im Rahmen des Controlling regelmäßig überprüfen? Zu welchen zeitlichen Abständen würden Sie raten? Wir wollen niemanden mit Bürokratie verschrecken...

Waltraud Martius: Das ist sehr unterscheidlich, je nachdem welche Branche und welches System. In den meisten Fällen reicht monatlich, wenn sich nicht viel ändert, z.B. an den Kosten, dann auch 1/4 jährlich. Controlling heißt Führen, Leiten.... also müssen Sie festlegen, was die Erfolgskriterien sind, mit denen der FN seinen Betrieb steuert und was Ihre Kennzahlen zur Steuerung des Systems sind. Meisten ist weniger mehr. Und der Umsatz ist nur das Ergebnis von diversen Aktivitäten und desshalb ist es besser sich zu überlegen, mit welchen Kennzahlen betreiben der FN und Sie das Geschäft. Diese sind ins Controlling und Benchmarking einzustellen, der Umsatz und Gewinn sind dann die Ergebnisse daraus.

Leser: noch eine Zusatzfrage: auf welchen Zeitraum würden Sie die durchschnittliche Integrationsphase eines neuen Franchisenehmers veranschlagen? Wovon hängt es in erster Linie ab?

Waltraud Martius: Meine Empfehlung ist es, den Partner solange in dieser Phase zu halten, bis er so gut in das System integriert ist, dass er mit den anderen "alten Hasen" mithalten kann und bis die Planzahlen erreicht sind und der FN alles weiß, damit er das Konzept gut umsetzen kann. Durchschnittlich ein halbes Jahr.

Leser: Sehr geehrte Frau Mag. Martius, auf welche rechtlichen Fallen sollte man als Franchisenehmer achten?

Waltraud Martius: In einem guten FV gibt es keine rechtlichen Fallen. Fragen Sie, ob das System Mitglied in einem Verband ist, ob der Vertrag rechtlich gecheckt ist, ob das System den Verbands-Systemcheck durchgeführt und welcher Anwalt den Vertrag gemacht hat. Es gibt eine gute "Rechtsbasis" in Europa für Franchising und seriöse Franchisesysteme halten sich an diese Vorgaben. Holen Sie Referenzen über das System bei den Verbänden ein und befragen Sie bestehende FN. da erhalten Sie die besten Aukünfte. Und wenn das alles noch nicht ausreicht, dann rufen Sie mich einfach an.

Leser: Ich bin auf der Suche nach einem passenden Franchisingangebot. Wie kann ich beurteilen, ob die Leistungen einer Franchisezentrale in einem angemessenen Verhältnis zu den geforderten Gegenleistungen stehen?

Waltraud Martius: Zunächst sollten Sie sich die wirtschaftlichen Ergebnisse des Systems anschauen. Wie ist die Erfolgsrechung der FNs und was verdienen die FNs und das System. Und dann schauen Sie sich andere Systeme an (z.B. auf diesem Franchise-Portal) und vergleichen die Systemangebote. Und lassen Sie sich zeigen, was Sie alles an Leistungen bekommen und vergleichen es damit, wenn Sie das alles alleine machen müssten. Dann werden Sie ein gutes Gespür bekommen. Normalerweise rechnet es sich, denn alleine könnten Sie alle dieses Leistungen nicht erbringen und im Franchising werden eben die Kosten dieser Leistungen auf alle FNs verteilt.

Leser: Auf welche Synergie-Effekte muss ein Franchise-System besonders achten, um auf dem Markt dauerhaft zu bestehen?

Waltraud Martius: Die Prozesse einer Franchisezentrale müssen klar definiert sein. Die Spielregeln der Zusammenarbeit standardisiert, Know-How niedergeschrieben in Handbüchern und alles was der Partner zur Umsetzung des Konzeptes braucht, steht im Intranet zur Verfügung. Je standardisierter und perfekter, desto höhere Rentabilität erreichen Sie in Ihrer Zentrale. Erarbeiten Sie Ihre Prozesse nach folgenden Bereichen: 1. Rekrutierung 2. Systemintegration 3. laufende Partnerschaft (Marketing, Vertrieb, Tagungen, PM, Controlling & Benchmarking, Produktentwicklung usw.) 4. De-Rekrutierung (Trennung von FN) Seien Sie immer einen Schritt voraus und binden Sie Ihre FNs in die Weiterentwicklung mit ein. Machen Sie Tagungen und feiern Sie Feste mit ihren FNs und deren Mitarbeitern. Schaffen Sie Vertrauen und die Sicherheit, dass die FNs sich auf Sie verlassen können. Wertschätzen Sie ihre Partner und deren Vertrauen in Ihr Konzept und die Arbeit der Zentrale.

Leser: Heute bereue ich es, einen Vertrag unterschrieben zu haben, der mir keine Rechte garantiert - nur Pflichten. Der FG kann jederzeit ohne konkrete Begründung mein Geschäft schließen, meine Erträge verringern, meine Aufwände erhöhen, mein Geschäft kannibalisieren, indem er sein Konzept beliebig oft in meinem Einzugsbereich multipliziert oder Internet-Aktionen fährt, die mein Geschäft im Ertrag beeinflussen. Ich muss alle Daten offenlegen und darf im Gegenzug mit einem veraltetetem Warenwirtschaftssystem arbeiten, welches auf Franchise gar nicht ausgelegt ist. Dadurch ist Kontrolle und Transparenz unmöglich: Ähnlich wie bei der Post, wo die Verhältnisse schon öffentlich gemacht wurden. Jetzt kann ich nicht einmal mehr die Bestände meiner kommissionierten Ware durch Inventur beeinflussen, da der FG meint, dass er mittels permanenter Inventur einen besseren Überblick über mein Geschäft hat und mir nun sauber wöchentlich Rechnungen über Differenzen schicken kann. Wegen Schadensersatz wird auf diesen Rechnungen noch nicht einmal die USt. ausgewiesen. Jetzt beende ich es lieber, denn es gibt unzählige Beispiele. Fazit: Es ist mir unmöglich, in diesem Konzept kaufmännisch bzw. selbstständig tätig zu sein.

Waltraud Martius: Das klingt ja nicht so toll. Warum steigen Sie nicht aus dem System aus??

Leser: Trotz schwieriger Zeiten ist es uns in den letzten Monaten gelungen, die Schlagzahl bei der Rekrutierung neuer Franchise-Partner deutlich zu erhöhen. Gleichzeitig scheinen wir aber an Bindungskraft gegenüber bestehenden Partnern zu verlieren. Wir haben zusätzliche Partnerbetreuer eingestellt und nicht den Eindruck, die älteren Partner zu vernachlässigen. Wo können wir nach Ihrer Meinung ansetzen?

Waltraud Martius: Beachten Sie immer, dass Sie in einem "SYSTEM" arbeiten. Wenn NEUE dazu kommen, fühlen Sich die ALTEN automatisch vernachlässigt. Das kommt aus dem Unterbewusstsein. Binden Sie die alten Hasen ein, z. B. durch Patenschaften oder Mentoring, dh. die Alten unterstützen die Neuen, bekommen dadurch Anerkennung und Wertschätzung. Begrüßen Sie bei Tagungen nicht zuerst die Neuen, sondern ehren Sie die ALten, z.B. jene, die 5 Jahre dabei sind oder 10 Jahre..... Fragen Sie die ALten nach der wichtigsten Erfahrung, die sie den Neuen mitgeben möchten.... Es ist wie in einer Familie, wenn ein neues Baby dazukommt, brauchen die anderen Kindern ganz viel Aufmerksamkeit und nicht nur Vernunft.... Bitte lesen Sie dazu mein Buch "Fairplay Franchising", das ich Ihnen gerne zusenden lassen.

Leser: Kommt Controlling in letzter Konsequenz ohne ein System von Belohnungen und Sanktionen für eine verbesserte Leistungserbringung aus?

Waltraud Martius: Ja, denn Selbstständigkeit verlangt nicht nach Belohnung. Es sollte eine "Erwachsenenebene" sein. Belohnung ist das nie. Wertschätzung und Anerkennung jedoch sehr wohl.

Leser: Sehen Sie Möglichkeiten, das systemspezifische Idealprofil eines Franchise-Nehmers zu ermitteln und die Suche danach auszurichten?

Waltraud Martius: Nein, denn wie hat Büchner schon gesagt: "Nehmen wir die Menschen so wie Sie sind, andere gibt es nicht"!. Natürlich sollten Sie ein Anforderungsprofil an Ihre FN haben, in Bezug auf fachliche, persönliche und finanzielle Aspekte, aber den idealen Partner wird es wohl nie geben. Deshalb gibt es ja auch Franchising, damit wir mit Training und professioneller Beratung unsere Partner unterstützen.

Leser: Der Wert der vom Franchisegeber angebotenen Leistungen wird sich je nach Vorkenntnis des Franchisenehmers doch noch unterscheiden. Müssten die Franchisegebühren nicht entsprechend variieren?

Waltraud Martius: Ja das ist eine gute Frage. Aber Franchising bedeutet auch Gemeinsamkeit, miteinander wirtschaftlich erfolgreich sein. Gerade am Beginn einer Partnerschaft mit einem FN verdient der FG eigentlich nicht sehr viel Geld. Es gibt Untersuchungen über den Wert eines FN und da wird geschrieben, dass es sich erst ab dem 3. Jahr rechnet. Und daher sollten die Gebühren über die Laufzeit des Vertrages schon gleich sein. Aber es ist wichtig, dass im Netzwerk diese Themen auch besprochen werden.

Leser: Weil der Ausstieg meinerseits einen hohen wirtschaftlichen Verlust bedeutet. Meine Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz verlieren und weil das Marketingkonzept und die Marke an sich toll ist. Nur eben die Umsetzung in Franchise funktioniert nicht, könnte aber, wenn wir FN endlich einmal ernst genommen und angehört würden.

Waltraud Martius: Geht es den anderen FN auch so??? Wie viele sind in diesem System?? Gibt es eine Beirat??

Leser: Offenbar verschärft sich derzeit der Wettbewerb um qualifizierte Franchisenehmer. Wir werden wohl neuen Partnern finanziell entgegenkommen müssen. Wie vermeiden wir dabei Reibungen mit langjährigen Partnern, denen damals höhere Eintrittsgebühren abverlangt wurden?

Waltraud Martius: Ja der Systemwettbewerb wird größer. Am besten durch Transparenz im System und Erklärung den alten Partner gegenüber. Vielleicht sogar durch Einbindung des Beirates oder gemeinsamer Diskussion zu diesem Thema und Entscheidung. Aber noch besser wäre ein gutes Finanzierungsmodell für die neuen FN, durch Förderungen und Leasing oder Ratenzahlungen.

Leser: Unsere Franchisenehmer durchlaufen beim Einstieg eine mehrwöchige Basisschulung. Anschließend lechzen sie nach der praktischen Anwendung des Erlernten. Wie lange würden Sie dann mit Weiterbildungsmaßnahmen warten, um keinen Überdruss zu erzeugen?

Waltraud Martius: Wenn es zwischendurch die Möglichkeit gibt, Feedback zu geben zum Praxisteil (z.B. durch Telefonkonferenzen oder Forum), dann mindestens ein halbes Jahr.

Leser: Sehen Sie in diesem Zusammenhang bestimmte charakterliche Eigenschaften, welche die besondere Eignung eines Franchise-Nehmers ausmachen?

Waltraud Martius: Soziale Kompetenz, Teamfähigkeit, Anerkennung von Leistungen anderer Menschen, ganzheitliches Denken, Bereitschaft zu lebenslangem Lernen.

Leser: Gibt es unter Fairplay-Gesichtspunkten Anforderungen an die in den Verbänden organisierten Franchisegeber, die Sie persönlich zusätzlich in den Ethikcode aufnehmen würden?

Waltraud Martius: Wenn der Ethikkodex richtig gelebt wird, müsste es ausreichen. Ich lege sehr viel Wert auf die gegenseitige Anerkennung dessen, was jeder einbringt und die gegenseitige Wertschätzung im Umgang miteinander.

Leser: Und welches sind die wichtigsten Charakterzüge eines erfolgreichen Franchisegebers?

Waltraud Martius: detto

Leser: Ich stelle immer wieder fest, dass die Stärken und Schwächen eines Franchise-Gebers in das gesamte Netzwerk ausstrahlen und sich auf allen Ebenen auswirken. Was kann ich als Mitarbeiterin eines autoritären Chefs tun, um negativen Tendenzen entgegenzusteuern?

Waltraud Martius: Indem Sie mit Ihrem Chef reden, indem Sie ihm mein Buch "Fairplay Franchising"schenken. Indem Sie Beratung von aussen vorschlagen, wo diese Themen thematisiert werden, indem Sie immer wieder ausgleichend wirken (was wahrscheinlich gar nicht einfach ist).

Leser: Es geht allen so. Die meisten haben aber Angst. Unsere Outlet-Anzahl wurde im letzten Jahr willkürlich halbiert (jetzt 60 Partner). Ein Beirat wurde geschaffen, in dem ich mitwirke, allerdings funktioniert er nur konstitutiv, d.h. beratend. Bilanz bis jetzt: nichts erreicht. Vorher hatten wir eine Interessengemeinschaft (IG) gegründet, die seit der Beiratswahl nicht mehr aktiv ist. Das war wohl das Ziel des FG, mittels Beirat die Energien der IG anderweitig zu binden, um uns auf einfache Art handlungsunfähig zu machen.

Waltraud Martius: Das klingt alles sehr verfahren. Gibt es denn Berater, die involviert sind? Der Beirat kann doch aktiv sein, das steuert der Beirat.

Leser: Welches sind denn die entscheidenden Vorteile einer Franchise-Mitgliedschaft gegenüber dem normalen Unternehmertum?

Waltraud Martius: Synergie, Arbeitsteilung, fertiges Know-How, Gemeinsamkeit statt Einsamkeit, Einsatz von Experten, die sich der FN alleine nicht leisten kann, Entlastung von Nebenfunktionen, damit sich der FN auf die Kunden konzentrieren kann, erprobtes Konzept, Vorteil einer großen Gruppe nützen und trotzdem selbstständig sein usw.

Leser: Auf welchen Gebieten der Unternehmensführung sollte der Franchisegeber seinen Franchisenehmern nach Möglichkeit ein Mitspracherecht zugestehen? Empfehlen Sie eine Festlegung der Mitspracherechte im Franchise-Vertrag oder geschieht dies besser auf freiwilliger Basis?

Waltraud Martius: Es sollte einen Beirat geben, der eine Satzung hat, in der genau beschrieben ist, in welchen Bereichen (z.B. Produktentwicklung oder Marketing oder Trainingsinhalte) eine Mitgestaltung möglich ist.

Leser: Unsere Franchisenehmer treffen sich regelmäßig in regionalen Gruppen. Aus Kostengründen haben wir bisher auf eine nationale Jahrestagung verzichtet. Ich sehe die Gefahr, dass sich die Regionen verselbstständigen und unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Stimmen Sie mir zu, dass eine nationale ERFA-Tagung in dieser Situation unverzichtbar ist?

Waltraud Martius: Unbedingt! Das wichtigste an den Jahrestagungen sind die informellen Teile und natürlich das "Ausrichten" der gesamten Gruppe an den Werten, Zielen und Plänen der Zukunft.

Leser: Der Beirat kann aktiv sein, bewirkt aber beim FG nichts, da er lt. Vereinbarung keine Mitbestimmungsrechte hat.

Waltraud Martius: Ich erlebe in meiner Beratung immer wieder, wenn lange genug die Umstände aufgezeigt werden, dass dies schon Wirkung zeigt. Es kann doch nicht sein, dass 60 FN unzufrieden sind, nicht aussteigen wollen und sich nichts ändert, mmmhh....

Leser: Welche Unterstützungsleistungen der Franchise-Zentrale sollten mit den Franchise-Gebühren bereits abgegolten sein und welche kann der Franchise-Geber zusätzlich in Rechnung stellen?

Waltraud Martius: Das ist sehr systemunterschiedlich. Es gibt aber eine generelle Leitlinie, dass Leistungen, die alle FN in Anspruch nehmen, über die laufende Gebühr abgedeckt werden sollte. Außer Training durch Externe oder Leistungen wie IT, Buchhaltung usw.

Leser: Wir sehen die Notwendigkeit, zusätzliche Anreize für die Beteiligung unserer Franchisenehmer an Tagungen und Weiterbildungsveranstaltungen zu schaffen. Was halten Sie von einer Tombola oder anderen Incentives?

Waltraud Martius: Normalerweise sind Tagungen verpflichtend. Möglicherwiese haben Sie das aber verabsäumt zu vereinbaren. Das Programm der Tagung und auch der Weiterbildungen sollte so attraktiv sein, dass die Partner gerne kommen. Ich halte nichts von Belohnungen. Es geht doch um die eigene Weiterentwicklung, die generell jeden selbstständigen Unternehmer am Herzen liegen müsste. Leider sind oft die Tagungen und Trainings schlecht und dann ist es schon nachvollziehbar, dass die FN nicht mehr kommen wollen.

Leser: In welchem Rahmen soll die Ursachenforschung für negative Abweichungen betrieben werden? In Einzelgesprächen, regionalen Workshops, überregionalen ERFA-Tagungen?

Waltraud Martius: Das hängt vom Selbstverständnis des Systems und vom Reifegrad der Gruppe ab. Generell im Einzelgespräch, aber wenn die Gruppe gut miteinander umgeht und gut geführt wird, kann es auch in einer Erfa-Gruppe erfolgen. Wertschätzung und Anerkennung warum es Abweichungen gibt, ist hier besonders wichtig. Der FN sollte auch immer ein Eigen-Feedback oder Selbstanalyse machen und dann erfolgt der Abgleich der analysierten Gründe.

Leser: Wenn der FG sich nach 5 Jahren entscheidet, alle Betriebstellen neu zu layouten, d.h. Vetragsdauer 10 Jahre, Abschreibung der Ladeneinrichtung nach frühestens 8 Jahren. Das bedeutet genau die gleiche Investitionssumme nach 5 Jahren noch einmal. Wer soll das dann finanzieren?

Waltraud Martius: Das ist eine Frage der Vereinbarung im Vertrag. Aber normalerweise haben Sie bei Beendigung eines Vertrages einen Investitionsersatzanspruch für die systembedingten Investitionen, die noch nicht amortisiert sind. Aber Fairplay ist anders....

Leser: Unser Master-Franchisenehmer ist durch unzulässige Werbeaussagen im Nachbarland in die Kritik geraten. Obgleich dies nicht für Deutschland gilt, befürchten wir einen Imageschaden. Welche vorbeugenden Maßnahmen kommen in Betracht?

Waltraud Martius: Das ist eine juristische Frage, da es davon abhängt, was Sie zum Thema in Ihrem Vertrag vereinbart haben. Aber Abmahnung und Androhung von Schadensersatz wird wahrscheinlich schon richtig sein. Wissen Sie denn, warum ihr Master das getan hat?? Haben Sie ein Gespräch geführt und unterstützen Sie ihn, dass er das nicht mehr tut, denn er wird es ja nicht absichtlich getan haben, oder??

Leser: Wenn ein FG zu einer Tagung einlädt und immer weniger der Einladung folgen, was meinen Sie läuft hier dann falsch?! Könnte es sein, dass das Infopaket zu dürftig ist oder das die FN evtl. innerlich schon abgeschaltet haben?!

Waltraud Martius: Sehr oft ist das Programm unattraktiv oder der FN verdient zu wenig Geld und kann sich die Reisen nicht leisten. Oder die Systembindung leidet generell, das könnte man sich durch eine Zufriedenheitsbefragung der FN anschauen und herausfinden, woran es liegt.

Leser: Das ist vertraglich nicht geregelt! Nachweislich bewirken diese hohen Investitionskosten keine Verbesserung der Umsatzsituation. Kann ich zur Investition gezwungen werden?

Waltraud Martius: Das hängt von Ihrem Vertrag ab. Sie könnten aber sicherlich eine Verlängerung des Vertrages aufgrund der neuerlichen Amortisationszeit der Investitionen verlangen. Denn der Vertrag muss mindestens so lange sein, wie die Amortisation der Investition.

Leser: Unsere Partner kennen den Bedarf der Kunden und die Aktivitäten der Konkurrenz vor Ort, weshalb wir ihre Kenntnisse systematisch erfassen und auswerten wollen. Welche Maßnahmen würden Sie konkret ergreifen, um Franchisenehmer stärker in die Marktforschung einzubeziehen?

Waltraud Martius: Checklisten, Workshops, Minigruppen in der Region, Diskussionsforen, Telefonkonferenzen, Tagungen usw. Alles was es möglich macht, mit Ihren FNs zu reden und deren Wissen zu erfragen.... oder auch Kundenworkshops bei Ihren FNs, Kundenbefragungen durch Ihre FNs usw.

Leser: Wir werden uns von dem Master trennen. Mir geht es mehr um die Kommunikation mit hiesigen Medien, Portalen, Verbänden etc., damit an uns nichts hängen bleibt. Würden Sie vorbeugend tätig werden? Wie?

Waltraud Martius: Das ist aus der Ferne schwierig zu beantworten. Ich würde auf alle Fälle alles vorbereiten, um dann in der Kommunikation schnell zu sein. Würde auch mit einem PR-Profi darüber reden. Auf jeden Fall sollten Sie kommunizieren, warum Sie sich vom Master getrennt haben. Was passiert mit den FNs im Land des Masters???

Leser: Der FG versucht das Recht auf Selbstbestimmung der Vertragsdauer zu umgehen, indem er vorerst die Investition trägt und sich die Abschreibungssumme über die Franchisegebühren holt.

Waltraud Martius: Wie soll das gehen, Ihre Franchisegebühren sind doch vertraglich vereinbart.????

Leser: Der FG führt gerade eine solche FN-Befragung durch ein unabhängiges Institut durch. Mind. 30-40% der FN werden diesen Fragebogen jedoch nicht zurückschicken, weil sie Angst davor haben, dass der FG ihren Laden zumacht, wenn er negativ ausfällt. (FN muss Details wie Alter, PLZ-Gebiet, etc. angeben). Hört sich das Ihrer Meinung nach nach einem intakten, funktionierenden Franchisesystem an?!

Waltraud Martius: Die Befragung sollte auf jeden Fall anonym sein, sonst ist sie sinnlos. Und natürlich ist eine mangelnde Rücksendung auch eine Aussage. In funktionierenden Systemen ist der Rücklauf immer über 60%.

Leser: Mit welchen Argumenten überzeugen wir unsere Franchisenehmer, dass zusätzliche Controlling-Maßnahmen der Verbesserung der gemeinsamen Leistungserbringung und nicht ihrer verschärften Überwachung dienen?

Waltraud Martius: Nur wenn der FN von der Auswertung des Controlling profitiert und erkennt, dass er sich damit verbessern kann und wirtschaftlich erfolgreicher wird, wird er es verstehen. Es wird also eine Frage der Art der Kennziffern und der professionellen Auswertungen sein. Beziehen Sie doch Ihre FNs in die Erarbeitung der Kennzahlen und Auswertungen mit ein. Zeigen Sie aber auch auf, dass es nicht nur um die FN Einzelbetrachtung geht, sondern immer auch um das Controlling und das Benchmarking in der Gruppe und des Systems. Und schaffen Sie Verständnis dafür, dass Sie für den Erfolg der FNs verantwortlich sind. Und diese Verantwortung nur übernehmen können, wenn es Transparenz gibt.

Leser: Die Franchisegebühren sind vertraglich vereinbart. Aber der FG kann willkürlich Verträge kündigen.

Waltraud Martius: Das glaube ich nicht, dass der FG willkürlich kündigen kann. Die Kündigungsgründe sind in einem Franchisevertrag immer genau aufgeführt oder gesetzlich geregelt.

Leser: Im Moment gibt er an, dass er mit dem FN nicht genug verdient, weist es aber nicht nach!

Waltraud Martius: Verdienen die FNs denn genug bzw. nach Plan???

Leser: Wir werden versuchen, die ausländischen Franchisenehmer durch intensive Kommunikation und gezielte Unterstützungsmaßnahmen zu halten. Wichtig ist für uns, dass es zu keinem Flächenbrand kommt. Würden Sie in der Kommunikation präventiv tätig werden oder erste Gefahrensignale abwarten?

Waltraud Martius: Ich würde präventiv tätig werden, denn sonst sind Sie immer in der Verteidigungsposition.

Leser: Betreffende FN wollen ihr Geschäft nicht aufgeben, werden aber dennoch gekündigt mit der o.g. Begründung des FG.

Waltraud Martius: Und unterschreiben dann einen neuen Vertrag??? Dann kann ja das Konzept und der FG nicht so schlecht sein....

Leser: Wenn die Alternative Arbeitslosigkeit ist?

Waltraud Martius: Die Alternative konnte ein anderes System sein.

Leser: Nach dem sogenannten Cash-Flow-Plan, der uns vor 5 Jahren bei der Vertragsunterzeichnung ausgehändigt wurde, hätten wir was verdienen können. Die Realität sah jedoch anders aus und zwar gleich nach dem ersten Jahr. Inzwischen sickerte durch, dass die Zahlen mit dem Fremdsortiment "schön" gerechnet wurden. Die Zahlen hätten wir niemals erreichen können - sitzen jedoch jetzt an Bord und haben viel Geld investiert. Dies und noch viel mehr führte zu dem "zerschundenen" Verhältnis zwischen FN und FG.

Waltraud Martius: Dann sollte es offene und ehrliche Gespräche geben, wenn es ALLEN so geht, wie gemeinsam das Problem gelöst werden kann.

Waltraud Martius: Vielen Dank für Ihre Fragen und Beiträge. Sollten noch Fragen offen sein, so schreiben Sie mir einfach eine Mail oder rufen Sie mich an. Liebe Grüße und ein schönes Wochenende. Ihre Waltraud Martius

 Waltraud Martius

Waltraud Martius

SYNCON International Franchise Consultants

Waltraud Martius ist Franchise-Beraterin und Mitbegründerin des Österreichischen Franchise-Verbandes (ÖFV). Außerdem ist sie Mitherausgeberin und Autorin mehrerer Bücher über Franchising.

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