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Micro-Franchising: Multiplikation kleiner Konzepte

Veronika Bellone: Guten Morgen, liebe Chat-Teilnehmerinnen und Chat-Teilnehmer. Ich freue mich auf eine anregende Unterhaltung mit Ihnen. Gerade in einer Zeit, in der sich die Wirtschaftsordnung gewaltig verändert, wird (Micro-)Franchising noch einen ganz anderen Stellenwert einnehmen. Gerne würde ich mit Ihnen darüber diskutieren und natürlich über allgemeine Fragen zum Franchising. Ihre Veronika Bellone

Leser: Guten Morgen Frau Prof. Bellone, Bezieht sich der Wortbestandteil „micro“ eher auf die Simplizität, die Investitionssumme oder aber den Personalbedarf eines Unternehmenskonzeptes?

Veronika Bellone: Guten Morgen, lieber Chat-Teilnehmer. Es betrifft all das, was Sie angesprochen haben, denn die Konzeption von Micro-Franchisemodellen ist im Zusammenhang mit Micro-Finance entstanden, wo vor allem Muhammad Yunus der Wegbereiter war. Multiplizierbare Kleinstkonzepte im Rahmen von USD 100 - USD 3'000 wurden und werden an Micro-Unternehmer vor allem in Entwicklungs-/Schwellenländern vergeben. Meist an Frauen, die damit eine kleine Existenz aufbauen, um damit die Familie zu ernähren. Dieses Modell der Kleinstuntenehmen haben mit anderen Inhalten auch bei uns Einzug gehalten.

Leser: Guten Morgen, ist der Begriff „Micro Franchising“ auf Industrieländer wirklich anwendbar? Meines Wissens geht es dabei um ein „economic development tool“ zur Beseitigung der Armut in der Dritten Welt, mittels dessen Hilfsorganisationen ausgewählten Unternehmensgründern wirtschaftlich auf die Beine helfen. Dies sollte besser nicht mit dem westlichen Franchise-Motto „Partnership for Profit“ vermischt werden, wo beide Seiten ihren wirtschaftlichen Vorteil suchen.

Veronika Bellone: Der Ursprungsgedanke war in jedem Fall ein anderer beim Micro-Franchising, es ist ein Konzept gegen die Armut. Ich denke, dass auch die westlichen Länder, die gerade einen Umbruch erleben, erkennen, dass kleine Existenzen im Handel wie Handwerk sehr viel dazu beitragen können, um auch Beschäftigung zu ermöglichen.

Leser: Guten Morgen! In einem früheren Chat, an dem ich leider nicht teilnehmen konnte, behandelten Sie die Thematik ‚Franchise und Kultur‘. In welchen kulturellen Bereichen können Unternehmen privatwirtschaftlich tätig werden und wo sollten sie sich besser heraushalten?

Veronika Bellone: Bei der Thematik "Franchising und Kultur" ging es mir vor allem darum, aufzuzeigen, dass es mittlerweile Konzepte im kulturellen Bereich gibt, wie zum Beispiel soziale Einrichtungen, die für eine Gesellschaft einen wichtigen Beitrag leisten und erfolgreiche Bausteine aus ihrer Arbeit anderen Institutionen zur Verfügung stellen. So gibt es zum Beispiel das Konzept einer amerikanischen Theatergruppe, das in problembehafteten Schulen eingesetzt wird mit dem Ergebnis, dass die Schüler einen Gemeinschaftsgeist entwickeln und eine Zukunftsplanung. Dieses Konzept findet auch in europäischen Schulen bereits mit lizenzierten Partnern Anwendung. Das Modell des Franchising, die Arbeitsteilung, Multiplikation und Interaktion lässt sich auf viele Bereiche übertragen. So werden auch kulturelle Institutionen multipliziert, um eine breitere Präsenz zu erreichen und Exponate an mehreren Orten ausstellen zu können wie zum Beispiel das Centre Pompidou, das es in Paris gibt und in kleinerer Version kürzlich in Metz aufgemacht hat. Das Guggenheim Museum ist ebenfalls an mehreren Standorten auf der Welt vertreten und geht Parternschaften ein. In Deutschland ist es die deutsche Bank.

Leser: Ich würde eher auf Network Marketing als wirtschaftliche Lösung für kapitalschwache Existenzgründer in den Industrieländern setzen. Nehmen Sie beispielsweise den Erfolg des AWD, eines angesehenen Partners der Deutschen Bank. Was soll uns das für Entwicklungsländer geschaffenes Konzept nützen?

Veronika Bellone: Nun, wenn man bedenkt, dass die als Entwicklungs- oder Schwellenländer bezeichneten Nationen in den kommenden Jahren (und bereits heute schon) sehr aktiv in die Globalisierung integriert werden. Dass dort eine enorme Zunahme an Innovationsprozessen, Technologie-Know-how entsteht - eine enorme Dynamik Einzug hält und sich damit die wirtschaftlichen Machtverhältnisse verschieben, dann gibt es meiner Meinung nach eine grosse Berechtigung von Micro-Franchising und zwar auf zwei Ebenen: einerseits gibt es für hiesige Unternehmen die Möglichkeit, über die Konzeptionierung kleiner Franchisen nachzudenken, die man in diesen aufkommenden Märkten vertreiben kann und die dort auch eine entsprechende Relevanz haben. Damit lässt sich nicht nur wirtschaftliches Wachstum generieren, sondern ebenso ein "Wissenszuwachs" um diese Kulturen. Zum anderen gibt es die Chance für die westlichen Länder mittels kleinen Existenzen... (siehe nächste Antwort) 

Leser: Guten Morgen. Worin unterscheidet sich Micro Franchising von dem heute üblichen Business Format Franchising?

Veronika Bellone: Upps, sorry, meine letzte Beantwortung wurde schnöde unterbrochen - die Online-Verbindung war weg, da ich unterwegs bin. So abhängig sind wir leider davon. Darf ich noch kurz auf meine vorige Antwort zurückkommen. Als zweiten Punkt für Micro-Franchising halte ich das Angebot von solchen Kleinstexistenzen auch für "unsere westliche Welt" für sehr wichtig, um die unternehmerische Dynamik zu halten und den Anschluss nicht zu verpassen. Lieber Chat-Teilnehmer, nun zu Ihrer Antwort. In meiner ersten Antwort des heutigen Chats bin ich auf den Ursprung des Micro-Franchising bereits eingegangen. Die Methoden für Micro-Franchisemodelle sind die gleichen, denn es geht um die Standardisierung von Erfolgskonzepten und deren wirtschaftliche Umsetzung, um damit eine existenzielle Grundlage für einen Unternehmer, eine Unternehmerin zu schaffen.

Leser: Benötigen Gründer im MicroFranchising weniger Unterstützung und Betreuung als das sonst notwendig ist?

Veronika Bellone: Da solche Konzepte überschaubarer vom Inhalt sind, ein eingeschränktes, aber relevantes Produkt- oder Dienstleistungssortiment, ist der Betreuungsrahmen konzentrierter. Die Konsequenzen aus dem Tun, die Chancen und Risiken sind übersichtlicher. Dennoch braucht es die partnerschaftliche Unterstützung und den Austausch, um die Motivation aufrecht zu erhalten und vor allem gibt den Koordinationsaufwand, da solche Systeme zumeist eine grössere Anzahl Partner haben.

Leser: Wie berücksichtigt man Nachhaltigkeitsgesichtspunkte bei der Vermarktung von Kulturgütern? Könnten Sie mir bitte Beispiele nennen?

Veronika Bellone: Allein durch das Angebot von Kulturgütern und/oder traditionellen Produkten wie Spezialitäten wird zu einer Nachhaltigkeit beigetragen, die im Erhalt derselben liegen. Kulturelles Erbe bleibt erhalten und das angepasst an eine neue Zeit. Vielleicht in einem neuen Galerie-Konzept wie es zum Beispiel die LUMAS Galerien vormachen.

Leser: Welche personellen und organisatorischen Voraussetzungen müssen in einer MicroFranchise-Zentrale geschaffen werden?

Veronika Bellone: Die Infrastruktur muss gemäss den Aufgaben entwickelt werden; d.h. es gibt den Verantwortungsbereich für das Leistungsangebot (Produkt oder Dienstleistung) und dann gibt es den für das Partnermarketing bestehend aus: Profilbeschreibung der Partner und Akquisition; dann den Ausbildungsteil, um die Partner auf das Konzept zu schulen und in das System einzubinden. Die laufende Unterstützung ist zu gewährleisten, d.h. die Steuerung der Partner, die Beratung und Vermarktung/Bewerbung des Leistungsangebotes und der gemeinsame Austausch mit den Franchise-Partnern, um die Weiterentwicklung des Systems zu sichern. Und letztendlich gehört auch der Trennungsteil dazu, Aufgaben, welche Massnahmen nach Vertragsauflösung eingeleitet werden.

Leser: Wenn Sie MicroFranchising auch für Industrieländer fordern, müsste es dann nicht durch MicroFinancing ergänzt werden? Wo gibt es hier so uneigennützige Geldgeber?

Veronika Bellone: Es gibt bereits sehr viele Banken, die sich zu Micro-Finance-Instituten gewandelt haben oder Geschäftsbanken, die in diesen Bereich diversifiziert haben. Durchaus Konzepte, die auch hiesigen Banken vorgestellt werden könnten - auch als vertrauensbildende Massnahme! Zudem gibt heute alternative Finanzierungskonzepte, die unabhängig von Banken funktionieren, wo Privatpesonen darüber befinden, ob sie eigene Mittel für die Realisierung von Projekten anderer einsetzen. Wir müssen auch in der Finanzierung innovativer "Denken und Handeln".

Leser: Franchise-Unternehmen sind doch für die zunehmende Monotonie in den Innenstädten verantwortlich. Sie treiben Einzelhändler mit Dumpingpreisen in den Ruin oder verdrängen sie aus gut frequentierten Lagen. Soll mit MicroFranchise diesem brutalen Verdrängungswettbewerb jetzt ein hübsches Mäntelchen umgehängt werden?

Veronika Bellone: Franchising ist eine Wachstumsstrategie, die sich aus Marktanforderungen entwickelt hat, nämlich unter anderem der Informations- und Produktevielfalt, die über die globalisierte und digitalisierte Weltangeboten wird. Franchising bündelt und standardisiert Informationen und das Leistungsangebot auf eine relevante, reduzierte Einheit, die am Markt erfolgversprechend und wirtschaftlich für Franchisegeber und -nehmer ist. Durch die Reduktion des Angebotes und die Anzahl Partner lassen sich bessere Einkaufspreise erzielen und der Bekantheitsgrad für das Konzept steigt durch die Multiplikation. Letztendlich bringt es Endverbauchern eine gewisse Sicherheit, wenn sie die Präsenz von Systemen auf dem Markt sehen, weil Produkte und Dienstleistungen in gleicher Qualität angeboten werden.

Leser: Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass es auch in den ärmeren Kreisen unternehmerisches Potential gibt. Bei welchen Leistungen kann ein potentieller MicroFranchise-Anbieter so weit abspecken, dass sein Angebot auch für Hartz IV-Empfänger in Betracht kommt?

Veronika Bellone: Zunächst muss das Angebot von Dienstleistungen und/oder Produkten auf den echten Bedarf am Markt geprüft werden, um es dann auf ein Mass zu bringen, das effektiv und gut übertragbar ist. Es muss auch die Ausgangslage der Partner einbeziehen, die aus einer Zwangslage heraus in die Selbstständigkeit gehen. Die Motivationsabklärung ist wichtig, was kann der Kandidat in diese Partnerschaft einbringen. Die regelmässige Betreuung ist in allen Systemen von grosser Bedeutung - im Rahmen des Micro-Franchising sind regelmässige Treffen in kurzen Abständen wichtig, um den Informationsfluss zu halten und den Status Quo gemeinsam zu besprechen. Denn viele Ihrer erwähnten Partnerprofile haben eine längere Leidenszeit hinter sich und müssen wieder lernen, an sich zu glauben.

Leser: Kennen Sie zufällig die Website http://www.nuh-fair.de/testen-sie-ihr-unternehmen/index.php mit einer Checkliste aus den Bereichen "Energiemanagement", "Sortiment & Beschaffung", "Mitarbeiter" sowie "Abfall & Recycling". Eignet sich die Checkliste auch als Nachhaltigkeitstest für Franchisesysteme?

Veronika Bellone: Nein, aber klingt spannend und freut mich, dass diese Website nun den Chat-Teilnehmerinnen und -Teilnehmern bekannt gemacht wurde. Wir von Bellone FRANCHISE CONSULTING sind mit unserer Initiative Greenfranchising, die wir im letzten Jahr für den deutschsprachigen Raum gestartet haben, sehr dankbar für solche Inputs.

Leser: Sind die volkswirtschaftlichen Effekte des Franchising wirklich so positiv, wenn man die verlorenen Arbeitsplätze im konkurrierenden Einzelhandel berücksichtigt?

Veronika Bellone: Auch Franchisekonzepte können nur überleben, wenn der Markt dafür vorhanden ist.

Leser: Worin unterscheidet sich das reduzierte Micro-Franchise-Angebot von einem einfachen Lizenzangebot?

Veronika Bellone: Es geht in die gleiche Richtung, nur kommt beim Micro-Franchising der Aspekt des Partnermarketing stärker zum Tragen. Denn es geht hier nicht nur um den lizenzierten Vertrieb von Waren und die Integration von Herstellungsverfahren etc., sondern auch um die Unterstützung, wie ich damit zum Erfolg komme und die laufende gemeinsame Weiterentwicklung.

Leser: Was sagen Sie zum Vorwurf, dass der Erfolg des Franchising vor allem der Selbstausbeutung zu verdanken ist?

Veronika Bellone: Wenn Sie eine negative Sicht einnehmen wollen, dann beruht jede Art von Eigenleistung auf Selbstausbeutung. Ich bevorzuge die positive Sicht der Dinge und bin Verfechterin des Unternehmertums. Franchise-Partner, die mit Hilfe eines Geschäftskonzeptes selbstständig werden können, wissen, dass sie mit ihrer Eigenleistung eine eigene Existenz aufbauen. Sie haben eine Perspektive, die sie vielleicht im vorhergehenden Angestelltenverhältnis nicht hatten.

Leser: Brauchen Unternehmensgründer im Micro Franchising geringere unternehmerische Fähigkeiten als im Franchising oder als traditioneller Unternehmer?

Veronika Bellone: Das lässt sich nicht generell beantworten. Auf jeden Fall, ob (Micro-)Franchising oder traditioneller Unternehmer, brauchen diese eine Vision - sie wollen etwas erreichen, das sie über eine eigene Idee ermöglichen wollen oder über ein Franchisekonzept. Es braucht etwas, das den Funken auslöst und dann auch die Bodenhaftung, um sich dem zu stellen. Beim Franchising kommt es dann wesentlich darauf an, dass man sich einfügen kann in eine Gruppe und lernbereit und -fähig ist, diesen Existenzrahmen auch auszufüllen.

Leser: Welche Märkte eignen sich für den Aufbau von Micro-Franchisesystemen? Welche Marktbedingungen müssen gegeben sein?

Veronika Bellone: Dienstleistungen und Handwerk sind Branchen, die sich gerade bei uns sehr gut eignen, weil sie wichtige Servicelücken füllen und flexibel an sich ändernde Bedürfnisse angepasst werden können.

Leser: Was ist es denn anderes als Scheinselbstständigkeit, wenn sog. Unternehmer Anweisungen von einer Zentrale erhalten und regelmäßig Rechenschaft ablegen müssen? Wo bleibt da die unternehmerische Freiheit?

Veronika Bellone: Wann sich der Umstand der Scheinselbstständigkeit ergibt, ist formal und rechtlich definiert. Hinweise können auch beim Deutschen Franchiseverband eingeholt werden. www.franchiseverband.com

Veronika Bellone: Liebe Chat-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer, vielen Dank für die Bandbreite an Fragen. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und ein entspanntes "WM-Schauen". Ihre Veronika Bellone

Prof. Veronika Bellone

Prof. Veronika Bellone

Bellone FRANCHISE CONSULTING GmbH

Franchise-Beratung, Professorin an zwei Schweizer Hochschulen, Publikationen zu Marketing- und Franchise-Themen. Konzeption des Greenfranchise Awards, der 2018 zum sechsten Mal vergeben wurde.

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