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Softfaktoren für die langfristige Partnerbindung

Waltraud Martius: Liebe Chat-Teilnehmer, freue mich auf alle ihre Fragen. Herzlichst Ihre Waltraud Martius

Leser: Guten Morgen, liebe Frau Martius: Wie wird sich die aktuelle Finanzkrise nach Ihrer Einschätzung auf die Franchise-Branche auswirken?

Waltraud Martius: Hallo Herr Meisen, das ist eine gute Frage. Ich denke, dass sich wie immer in Krisenzeiten "Spreu vom Weizen" trennen wird. Es wird Unternehmen geben, die daraus profitieren und das Franchising wird dazuzählen. Denn Eigenverantwortung, Selbstständigkeit und loyales Unternehmertum ist jetzt gefragt.

Leser: Hallo Frau Martius: Welche Werte sollte ein Franchisesystem ausstrahlen, um auch höheren ethischen Ansprüchen zu genügen?

Waltraud Martius: Liebe Frau Gautier, in erster Linie müssen Franchise-Systeme partnerschaftlich geführt sein, das bedeutet "Partnerschaft auf gleicher Augenhöhe". Werte wie Wertschätzung, Anerkennung, Ehrlichkeit, Loyalität usw. sind hier gefragt.

Leser: Guten Morgen Frau Martius, mein Name ist Hai Ha Nguyen und ich studiere BWL an der TU Bergakademie Freiberg. Wir hatten uns bereits kurz per Mail kontaktiert. Im Rahmen meiner Diplomarbeit "Franchising als Markteintrittsstrategie in Schwellenländern" im Fachbereich Marketing für ein Automobilzulieferer bemerkte ich, dass es kaum (oder gar kein) Literatur über Franchising im Bereich Industriegütermarketing gibt. In der Praxis wird aber wohl im Rahmen organisationaler Kunden auch von Franchising gesprochen. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Waltraud Martius: Hallo Herr Nguyen, ja, es ist tatsächlich so, dass es dazu wenig Literatur gibt. Franchising heißt aber nichts anderes als: "Multiplikation von erfolgreichen Betriebstypen". Das bedeutet, dass auch im Industriegüterbereich Franchising durchaus Erfolg verzeichnen könnte.

Leser: Ich möchte bei der ersten Frage nachhaken: Gibt es Franchise-Systeme, die konkret von der Krise profitieren werden?

Waltraud Martius: Ja, ich denke schon, denn die Zusammenarbeit mit selbständigen Partnern wird eine notwendige Alternative zum selbst finanzierten Filial-System sein. Allerdings wird die Finanzkrise Engpässe einerseits in der Verfügung attraktiver Standorte bewirken, andererseits werden auch Kleinkredite nicht mehr so locker zu Verfügung stehen.

Leser: Was halten Sie von der These eines Beraterkollegen, dass im Franchising zwischen Direktionsfranchising und Markenfranchising zu unterscheiden sei?

Waltraud Martius: Lieber Herr Herzog, der Begriff Direktionsfranchising ist kein in der Franchise-Branche üblicher Begriff. Wie definieren Sie?

Leser: Warum sollte Franchising anderen Formen der Kooperation überlegen sein?

Waltraud Martius: Franchising ist die einzige Form der Kooperation, in der die Rechte und Pflichten beider Seiten professionell geregelt sind. Sowohl im Vertrag als auch im Franchise-Handbuch. Ebenso trägt die Rechtsbasis - die Gruppenfreistellungsverordnung - wesentlich dazu bei, dass die oben angeführten Rechte und Pflichten geregelt werden können. Die Verbindlichkeit des Franchisings ist der wesentliche Erfolgsfaktor.

Leser: Sind die Menschen in ihrer Mehrheit überhaupt reif für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit?

Waltraud Martius: Immer mehr, denn ohne Partnerschaft wird menschliches Überleben nicht möglich sein.

Leser: Vielleicht war auch von direktivem Franchising die Rede, jedenfalls war ein autoritärer Führungsstil gemeint.

Waltraud Martius: Wenn damit die Unterscheidung in Hard-Franchising und Soft-Franchising gemeint ist, dann gehört die Gegenwart und erst recht die Zukunft dem Hard-Franchising. Was nicht autoritär bedeutet, sondern klare Spielregeln, die konsequent eingefordert werden. Mein neuestes Buch "Fairplay Franchising" widmet sich ausschließlich den Softfaktoren, die auf Dauer Franchise-Systeme erfolgreich machen.

Leser: Welche Erfolgsfaktoren gibt es im Industriegütergeschäft gegenüber dem Endkonsumentengeschäft?

Waltraud Martius: Das Franchise-Paket unterscheidet sich lediglich in Bereich Marketing und Vertrieb. Denn Franchise-Partner die Industriegüter verkaufen brauchen professionelle Unterstützung in ihren vertrieblichen Aktivitäten. Ansonsten soll ein derartiges Franchise-Paket all diejenigen Faktoren enthalten wie z.B. Sortimentspolitik, Marketing, CI, CD, Controlling und Bench-Marking, Aus- und Weiterbildung usw.

Leser: Ich sehe eine zunehmende Zahl unausgereifter Franchisesysteme am Markt, die offenbar am Reissbrett entstanden sein, keine Pilotphase absolviert haben und mit unrealistischen Erfolgsversprechen an die Öffentlichkeit gehen. Solche Franchisegeber beschädigen den Ruf der gesamten Branche und sollten an den Pranger gestellt werden! Wäre das nicht Aufgabe eines Verbandes?

Waltraud Martius: Sehen Sie wirklich eine zunehmende Zahl? Als Franchise-Beraterin der ersten Stunde und Marktführer im deutschsprachigen Raum erkenne ich genau den gegenteiligen Trend. Unternehmen, die ein Franchise-System entwickeln, haben erkannt, dass gerade die Professionaliät in der Anfangsphase einen Erfolgsfaktor darstellt. Ebenso trägt die vom DFV verlangte Zertifizierung zur Qualifizierung der Franchise-Systeme bei.

Leser: Welche Voraussetzungen muss ein Franchisesystem erfüllen, um als seriös und erfolgreich wahrgenommen zu werden?

Waltraud Martius: Zunächst braucht es einen erfolgreichen Betriebstyp. Eine entsprechend lange Pilotierung. Einen fairen, partnerschaftlichen, verständlichen Franchise-Vertrag. Eine tiefgehende Know-How-Dokumentation. Professionelle Franchise-Tools. Eine realistische Wirtschaftsplanung für den Franchise-Nehmer. Ausreichend Kapital für die Finanzierung der Entwicklung und den Aufbau des Systems. Ein wirtschaftliches Modell für den Franchise-Geber und darauf aufbauend ein ausreichendes Finanzierungsmodell für den Franchise-Geber. Verständnis der Erfolgsfaktoren einer Partnerschaft zu Beginn und laufend. Ein professionelles Partner-Management, d.h. die laufende Beratung und Betreuung der Franchise-Nehmer. Und die Erkenntnis, dass Softfaktoren wie Wertschätzung, Anerkennung, Partizipation usw. auf Dauer die wesentlich wichtigeren Erfolgsfaktoren sind als die Hard Facts. Nicht zu vergessen Instrumente wie Beiräte und Ausschüsse, die die Mitgestaltung der Franchise-Nehmer sicher stellen.

Leser: (Wo) Gibt es Statistiken zu Franchiseentwicklungen in anderen Ländern, insbesondere Schwellenländern?

Waltraud Martius: Die nationalen Verbände erstellen regelmäßig ihre Statistiken. Diese finden Sie auf den jeweiligen Websites. Mittlerweile gibt es in fast allen europäischen Ländern entsprechende Franchise-Verbände. Einen Link dazu finden Sie auf www.franchise.at

Leser: Bei den aus meiner Sicht unausgereiften Systemen handelt sich in aller Regel nicht um Verbandsmitglieder, sondern um Newcomer und immer häufig aus der Internetbranche. Ich vermute, dass die hohe Veränderungsgeschwindigkeit im Internet zur Vermarktung unausgereifter Systeme führt.

Waltraud Martius: Habe dazu keine Erfahrungen.

Leser: Sie sagten, es gibt wenig Literatur zum Thema Franchising im Industriegütermarketing. Kenn Sie welche?

Waltraud Martius: Nein, leider kenne ich kein konkretes Buch, das sich nur mit Franchising im Industriegüterbereich beschäftigt. Eine generelle Literaturliste finden Sie auf www.syncon.de

Leser: Wie finde ich als Existenzgründer/in heraus, ob ich mich persönlich für Franchising eigne? Offensichtlich ist dieser Weg nicht für Jede/n der richtige.

Waltraud Martius: Zunächst mal ist es wichtig, dass Sie sich überlegen, in welcher Branche Sie tätig sein möchten. Die Erfolgsfaktoren des Franchising bedeuten Arbeitsteilung, Gemeinsamkeit, Einsatz von Spezialisten und Selbständigkeit. Ihre Persönlichkeit muss diesen Werten entsprechen. Einzelkämpfer und Alleswisser haben im Franchising keinen Platz. Die Gemeinsamkeit steht vor der Einsamkeit. Franchise-Nehmer sind intelligente Unternehmer, die erkennen, dass sie das Rad nicht neu erfinden müssen.

Leser: Warum gilt die Franchise-Branche im Ausland als Erfolgsmodell, während Franchisegeber in Deutschland noch oft als Abzocker diskriminiert werden?

Waltraud Martius: Meine Erfahrung zeigt, das auch im deutschsprachigen Raum Franchising immer mehr an Akzeptanz gewinnt. Das Franchise-Geber als Abzocker bezeichnet werden, ist mir nicht bekannt.

Leser: Warum wehrt sich die deutsche Franchise-Wirtschaft gegen ein eigenständiges Franchise-Gesetz, das für mehr Rechtssicherheit und Vertrauen im Franchising sorgen könnte? In den USA gibt es in zahlreichen Bundesstaaten solche Gesetze, in Frankreich hat das Loi Doubin für eine Marktbereinigung und neues Wachstum gesorgt.

Waltraud Martius: Die Gefahr eines Franchise-Gesetzes in Deutschland würde aus meiner Sicht sein, dass wie in vielen deutschen Gesetzen generell, zu viel Regelung erfolgt. Die europäische Gruppen-Freistellungs-Verordnung für vertikale Vertriebsbindungen ist aus meiner Sicht absolut ausreichend, um die Rechte und Pflichten im Franchising gut zu regeln.

Leser: Wie viel Charisma braucht ein guter Franchisegeber?

Waltraud Martius: Viel, da Franchise-Geber immer auch Vorbildfunktion für ihre Franchise-Nehmer haben müssen.

Leser: Worauf muss ein Franchise-Unternehmen bei der Expansion ins Ausland achten?

Waltraud Martius: Zunächst ist es wichtig, dass der Franchise-Geber eine klare Strategie für seine Auslands-Expansion erarbeitet. Es gibt 5 Arten zu internationalisieren. Einen Vortrag dazu finden Sie auf www.syncon.de unter Vorträge: "Strategien der Internationalisierung". Zu achten ist auch darauf, dass das System im Heimatland professionell entwickelt und etabliert ist. Die klare Aufgabenteilung zwischen der inländischen Zentrale und dem ausländischen Partner ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Diese wird abhängig von der gewählten Strategie festgelegt.

Leser: Kann ein Franchisenehmer von seinem Franchisesystem nicht ein erhöhtes Maß an Sicherheit und Professionalität erwarten? Gibt es Instrumente, mit denen ein solcher Anspruch vom Franchisegeber erfüllt werden kann?

Waltraud Martius: Franchising generell bietet eine höhere Sicherheit als die Selbständigkeit ohne System. Dies belegen die statistischen Werte im Franchising. Selbstverständlich kann ein Franchise-Nehmer von seinem Franchise-Geber Professionalität erwarten. z.B. Instrumente der Qualitätssicherung sind hier zu nennen.

Leser: Wie schnell darf ein Franchisesystem wachsen, ohne die Struktur und damit die Qualität der Betreuung zu überfordern?

Waltraud Martius: Dies hängt von der Organisationsstruktur und dem Aufbau der Franchise-Zentral ab. Expansion braucht Kapazität, insbesondere in der Partnerbetreuung. Allerdings ist ein zu schnelles Wachstum für die Gruppendynamik im System nicht förderlich. Erfahrungsgemäß wachsen Franchise-Systeme mit 5 - 7 Partnern pro Jahr.

Leser: Könnte nicht das Konfliktpotential zwischen Franchisegebern und Franchisenehmern durch eine erweiterte vorvertragliche Aufklärung analog zu USA und Frankreich reduziert werden?

Waltraud Martius: Ich denke, dass die Empfehlung des DFV zur Vorvertraglichen Aufklärungspflicht ausreichen müsste. Nimmt ein seriöser Franchise-Geber diese Checkliste ernst, so erhält der Franchise-Nehmer alle Informationen die er benötigt, um eine gute Basis für seine Entscheidung zu haben.

Leser: Ich habe in diesen unruhigen Zeiten die Sorge, dass sich der Franchisegeber kurz nach meinem Systembeitritt mit meinen Gebühren in die Insolvenz verabschiedet. Gibt es die Möglichkeit, die Zahlung der Eintrittsgebühr parallel zum Know-how-Erwerb in mehreren Schritten oder auf ein Notaranderkonto vorzunehmen?

Waltraud Martius: Wenn Ihr Franchise-Geber tatsächlich insolvenzgefährdet ist, sollten Sie ernsthaft überlegen, in dieses System gar nicht erst einzusteigen, oder so schnell wie möglich wieder auszusteigen. Denn gegenseitiges Vertrauen ist die Grundbasis einer Partnerschaft. Ob eine Ratenzahlung der Einsteigsgebühr mögich ist, hängt vom jeweiligen Franchise-Vertrag ab.

Leser: Manche Franchisesysteme haben das Problem, dass die Bindungskräfte im Laufe der Jahre nachlassen und Franchise-Nehmer auf Distanz gehen oder sogar aussteigen. Mit welchen Maßnahmen könnte man solch negativen Entwicklungen entgegensteuern?

Waltraud Martius: Auch in Franchise-Systemen gibt es den Lebenszyklus einer Partnerschaft. Hierbei ist die Startphase genau so wichtig wie später folgende Phasen der Selbstverständlichkeit. Abhängig davon, in welcher Phase sich der Franchise-Neher befindet, sind unterschiedliche Instrumente einzusetzen. So ist es z.B. wichtig, dass Partner die schon lange dabei sind, neue Aufgaben im System übernehmen. z.B. Beiratsmitglied werden, oder die Patenschaft von neuen Partnern übernehmen. In meinem neuen Buch "Fairplay Franchising" ist dem Lebenszyklus von Franchise-Partnerschaften und den notwendigen Maßnahmen und Instrumenten zur Partnerbindung ein Kapitel gewidmet. siehe dazu: www.fairplay-franchising.com

Leser: Kann ich den Franchisegeber vor Vertragsunterzeichnung auffordern, seine wirtschaftliche Situation durch das Testat eines Wirtschaftsprüfers zu belegen? Sollte ich mich zusätzlich an eine Wirtschaftsauskunft (z.B. Creditreform) wenden? Wo kann ich Referenzen erhalten?

Waltraud Martius: Selbstverständlich können Sie eine Auskunft über Ihren Franchise-Geber einholen. Die beste Refenz jedoch sind die bestehenden Franchise-Nehmer. Lassen Sie sich eine Liste der Franchise-Nehmer geben und sprechen Sie mit diesen über ihre Erfahrungen in der Franchise-Partnerschaft.

Leser: Erhalten Beiräte aus dem Franchisenehmer-Kreis üblicherweise eine Entschädigung für ihre Gremienarbeit? Wer kommt gegebenenfalls dafür auf?

Waltraud Martius: Beiratsarbeit ist ehrenamtlich. In manchen Franchise-Systemen gibt es Reisekostenersatz und die Franchise-Zentrale übernimmt die Organisation der Beitratstreffen.

Leser: Gibt es Beispiele dafür, dass mehrere Franchisegeber gemeinsam eine Veranstaltung organisieren oder Werbeaktionen durchführen? Es geht mir dabei um mögliche Synergien und das Wir-Gefühl innerhalb der Franchise-Branche.

Waltraud Martius: Nein, leider sind mir keine derartigen Beispiele bekannt. Allerdings gibt es zwischen verschiedenen Franchise-Gebern Marketing-Kooperationen.

Leser: Warum ziehen Franchisesysteme nachträglich mit regionalen Mastern eine zusätzliche Hierarchieebene ein, wenn flexible Zentralen und flache Hierarchien zu den größten Franchise-Vorteilen zählen?

Waltraud Martius: Das ist generell nicht üblich im Franchising und kommt erfahrungsgemäß nur in Einzelfällen vor. Manchmal ist jedoch bei schnellem Wachstum diese Vorgehensweise sinnvoll. Wichtig ist dann eine schnell funktionierende Kommunikationsstruktur, damit Informationen nicht auf Master-Ebene hängen bleiben.

Leser: Was ist von den publizierten Statistiken zu halten, nach denen nur ein kleiner Prozentsatz der Franchisenehmer pro Jahr scheitert? Beruhen die Zahlen auf Selbstauskünften der Franchisegeber oder wurden sie von unabhängiger Seite geprüft?

Waltraud Martius: Weltweit basieren die Statistiken im Franchising auf den Selbstauskünften der Franchise-Geber. Diese Vorgehensweise ist jedoch nicht nur im Franchising üblich. Da die Ergebnisse jedoch über viele Jahre konstant sind, denke ich schon, dass man den Zahlen trauen kann.

Leser: Gibt es eine bevorzugte Strategien für Internationalisierung bei Unternehmen aus Deutschland bis jetzt? Wenn ja, warum?

Waltraud Martius: Ja, diese gibt es. Das ist das sogenannte Master-Franchising. Der Grund hierfür liegt in der Attraktivität des Master-Franchising, nämlich vom Master-Franchise-Nehmer eine Einstiegsgebühr zu erhalten. Meine persönliche Präferenz gilt dem Joint Venture.

Leser: Braucht der Franchisegeber für die nachträgliche Änderung der Organisationsstruktur (z.B. zusätzliche Master-Ebene) die Zustimmung seiner Franchisenehmer?

Waltraud Martius: Dies hängt von ihrem Franchise-Vertrag ab. Werden denn auch die Franchise-Vertäge an den neuen Master übergeben?

Leser: Welche Bedeutung har das Wissensmanagement im Franchising und wie kann sich ein Netzwerk in dieser Beziehung professionalisieren?

Waltraud Martius: Wissensmanagement ist eines der wesentlichen Erfolgsfaktoren im Franchising. Beginnend mit der Know-How-Dokumentation in den Handbüchern und den Intranets über die mittlerweile immer häufigeren Nutzung von Wikipedia, ist das Wissensmanagement eine der Hauptaufgaben im seriösen Franchising.

Leser: Wie erstellt man eine Partnerschaftsbilanz und welche Kriterien sind dabei entscheidend?

Waltraud Martius: Eine Partnerschaftsbilanz ist der Check der Zufriedenheit der Franchise-Nehmer aber auch des Franchise-Gebers. Zunächst sind 2 Fragebögen zu erarbeiten. Die Partner-Befragung und die Partner-Bewertung. Diese beiden Fragebögen orientieren sich einerseits am Leistungspaket des Franchise-Gebers und andererseits an der Leistungserbringung des Franchise-Nehmers. Mittlerweile werden Partnerschaftsbilanzen online ausgefüllt und ausgewertet. Gerne sende ich Ihnen dazu weitere Details zu. Einen Artikel dazu finden Sie auch in meinem Buch "Fairplay Franchising" sowie auf unserer Website.

Leser: Wie intensiv sollte ein Franchise-Nehmer im Einzelhandel schriftlich, telefonisch und vor Ort betreut werden? Wir wollen das richtige Maß finden, das ihn voranbringt ohne ihm seine Selbstständigkeit zu nehmen.

Waltraud Martius: Dies ist abhängig vom Anforderungsprofil des Franchise-Partners und des Lebenszyklus, in dem sich der Partner befindet. Anfänglich sind sicherlich ein wöchtentliches Telefonat und ein monatlicher Besuch sinnvoll. In späterer Folge kann die Betreuung quartalsweise erfolgen.

Leser: Wie überprüfe ich die Angemessenheit der Franchisegebühren? Es erscheint mir sehr schwierig, die Leistungsversprechen eines Franchisesystems in Heller und Pfennig zu übersetzen und mit anderen Angeboten zu vergleichen.

Waltraud Martius: Je länger ein System am Markt ist und je mehr Franchise-Nehmer, desto teurer ist der Einstieg. Ein guter Maßstab für die Richtigkeit der Einstiegsgebühr ist der Vergleich mit anderen ähnlichen Systemen. In der Virtuellen Messe im FranchisePortal haben Sie gute Vergleichsmöglichkeiten. Bewerten Sie auch die Gegenleistung zur Eintrittsgebühr wie z.B. Training in Relation dazu, dass Sie sich diese Leistungen selber organisieren müssten.

Leser: gibt es noch andere/weitere Vorträge o.ä. zur Strategien der Internationalisierung?

Waltraud Martius: Gerne sende ich Ihnen meinen Vortrag zum Thema: Tools der Internationalisierung. Bitte senden Sie mir dazu eine Mail.

Leser: Haben Sie Erfahrung mit dem Einsatz von Springern in Krankheitsfällen oder dem Ansparen eines Notgroschens für Krisenzeiten? Ist im Ernstfall mit einer solidarischen Haltung zu rechnen oder kann es zu Verteilungskämpfen kommen?

Waltraud Martius: In vielen Franchise-Systemen ist ein derartiges Notfallskonzept üblich. Meistens bestimmt der Beirat die Verteilung des Notgroschens. Im Handbuch sind sehr oft die Kriterien der Notfälle geregelt. Ich selber bin Aufsichtsratsvorsitzende eines großen Franchise-Systems und habe unlängst die notwendige Verteilung des Notgroschens erlebt. Die Solidarität war groß und berührend.

Leser: Wann sind neue Betreuungsleistungen im Rahmen des Netzwerks wirklich sinnvoll und wann haben sie eher Alibifunktion für das Management? Hilft die Einrichtung von Profitcentern?

Waltraud Martius: Die laufende Beratung und Betreuung muss professionell erfolgen. Nur "Kaffee trinken" ist keine ernst zu nehmenden Franchise-Zentrale. Die Beratungstermine sind von beiden Seiten professionell vorzubereiten und auch nachzuarbeiten. Ansonsten würde es wirklich eine Alibifunktion sein. Was meinen Sie mit Einrichtung von Profitcentern? In der Franchise-Zentrale? Mit zunehmenden Wachstum der Zentrale sicherlich sinnvoll.

Leser: Wie kommt man zu einem fairen Interessenausgleich beim Ausscheiden des Franchise-Nehmers?

Waltraud Martius: Der Prozess der De-Rekrutierung muss professionell festgelegt sein. Trennung braucht Klarheit. Vieles dazu ist bereits im Vertrag geregelt. Jedoch zeigt sich sehr oft im Fall der Trennung der tatsächliche Wert der Partnerschaft. Franchise-Gebern ist empfohlen loszulassen und den Partner ziehen zu lassen. Eine mittlerweile übliche Form der Konfliktlösung, nämlich die Mediation, ist auf jeden Fall zu empfehlen.

Leser: Ich sehe die Gefahr, dass Betreuungsleistungen wegen der lautstarken einzelner Forderungen einzelner Partner immer mehr ausufern, ohne dass sie von der Mehrheit wirklich benötigt werden. Bei der finanziellen Bewertung eigentlich kostenfreier Leistungen im Rahmen von Profitcentern könnte der Wildwuch vielleicht bekämpft werden.

Waltraud Martius: Es gilt die Regel: Leistungen, die von 80% der Franchise-Partner genützt bzw. benötigt werden, sind im Rahmen des Partner-Managements und der Gebühren zu erbringen. Einzelleistungen sind nicht Bestandteil eines Systems. In einigen Franchise-Systemen werden derartige Einzelleistungen an die Partner extra verrechnet.

Leser: Gibt es im Rahmen von Franchise-Verträgen eine Musterregelung, die für einen fairen Ausgleich beim Ausscheiden des Franchisenehmers sorgt oder muss sie jweils durchgesetzt werden? Wird der Ausgleich gegebenenfalls direkt vom Nachfolger oder vom Franchisegeber erbracht? Wer sucht den Nachfolger aus?

Waltraud Martius: Das hängt von Ihrem Vertrag ab und das Recht, das im Vertrag vereinbart ist. Welches Land, welches Recht??

Leser: in Deutschland! Was passiert, wenn der Franchise-Geber den vorgeschlagenen Nachfolger aufgrund angeblicher Eignungsmängel ablehnt, weil er den Betrieb selber günstig übernehmen will? Kann analog zum Mietrecht durch mehrere Vorschläge eine Entscheidung erzwungen werden?

Waltraud Martius: Das ist eine juristische Frage, die ich Ihnen nicht beantworten kann/darf. Der Franchise-Geber kann im Normalfall ablehnen, wenn der neue Partner nicht seinem Anforderungsprfoil entspricht. In der Praxis kenne ich aber keine Probleme in diesem Bereich. Wenn sie einen guten Nachfolger bringen, wird den der Franchise-Geber auch annehmen.

Leser: In welchem Umfang haftet ein österreichischer Franchisegeber für die in seinen Werbeunterlagen veröffentlichten Prognosen? Als Alternative könnten wir uns auf mündliche Prognosen und Berechnungen beschränken.

Waltraud Martius: Als Franchise-Geber haften Sie immer im Rahmen Ihres Vertrages. Wenn aber Ihre Angaben grob fahrlässig sind, dann kann es durchaus und berechtigerweise zu Schadensersatzforderungen kommen. Ich denke, dass auch NUR mündliche Aussagen Sie hier nicht entheben werden. Zumindest moralisch. Juristisch gesehen, darf ich Sie bitten, diese Frage einem Juristen zu stellen.

Waltraud Martius: Ich danke Ihnen für ihre Beiträge und freue mich auf Ihre Fragen im nächsten Chat. Herzlichst, Ihre Waltraud Martius

 Waltraud Martius

Waltraud Martius

SYNCON International Franchise Consultants

Waltraud Martius ist Franchise-Beraterin und Mitbegründerin des Österreichischen Franchise-Verbandes (ÖFV). Außerdem ist sie Mitherausgeberin und Autorin mehrerer Bücher über Franchising.

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