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Trends im Franchising

Veronika Bellone: Schönen guten Morgen, liebe Chat-Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Nichts ist so beständig wie der Wandel. Und das möchte ich gerne wörtlich nehmen und mit Ihnen über Trends im Franchising diskutieren und weitere, allgemeine Themen im Franchise-Business. Ihr Veronika Bellone

Leser: Guten Morgen, Frau Professor Bellone! Welche Trends dürften die Franchise-Wirtschaft in den kommenden Jahren maßgeblich prägen?

Veronika Bellone: Guten Morgen, lieber Chat-Teilnehmer. Die wohl wichtigste Disziplin wird sein, sich auf die Megatrends einzustellen, sich anzupassen. Nachhaltigkeit, Connectivity, Healthstyle, Individualisierung u.a. sind beherrschende Themen bzw. Trends. Nur gilt es zu hinterfragen, was heisst das bezogen auf meine Branche - auf mein Konzept? Die Übergänge werden immer fliessender. Wenn ich z.B. einen Pizza-Dienst habe, dann stellt sich die Frage nach der Zusammensetzung der Produkte, der Ausgewogenheit hinsichtlich Ernährung, der Zutaten (kommen sie aus der Region), habe ich eine App, die die Vorbestellung und individualisierte Pizza ermöglicht. Und biete ich meinen Mitarbeitenden und Partnern gute soziale und ökonomische Bedingungen.

Leser: … und wie lassen sich im Zuge einer professionellen Prognose nachhaltige Entwicklungen von kurzzeitigen Trends und Moden unterscheiden?

Veronika Bellone: Taktgeber sind immer die Metatrends. Das Informationszeitalter hat die digitalen Möglichkeiten hervorgebracht. Jetzt sind wir am Übergang zum Metatrend, der Nachhaltigkeit, Ganzheitlichkeit und Gesundheit im Fokus hat und angetrieben wird von neuen und ausgefeilteren Technologien. Das lässt auch bestehende Megatrends (einige habe ich in der ersten Antwort genannt) unter einem neuen Einfluss stehen. Healthstyle als Beispiel. Heute gibt es durch die Digitalisierung schnellere Übertragungs- und Vergleichsmöglichkeiten, um Krankheitserreger zu sequenzieren. Dabei sind es nicht nur die Labore grosser Pharmakonzerne, die die Forschung vorantreiben, sondern kleine Spin-Offs oder Labore. Um zu entscheiden, ob es eine kurzzeitige Mode oder ein länger andauernder Trend ist, sollten Sie an der Anbindung an einen Megatrend festmachen.

Leser: wären Sie so freundlich, den Begriff "Connectivity" näher zu erläutern und dessen mögliche Auswirkung auf bestehende oder neue Franchise-Konzepte?

Veronika Bellone: Connectivity heisst Vernetzung. Unser Informationsverhalten hat sich stark verändert, seitdem wir online unterwegs sind. Das birgt Chancen und Risiken für (Franchise)-Unternehmen. Wie auch immer wird sich heute über Unternehmen, Produkte, Menschen im Internet, über Soziale Medien ausgetauscht. Es wird beurteilt, informiert, bewertet, gelobt, diffamiert und geliked. Für Franchise-Geber/innen stellt sich zunehmend die Frage, welche Medien/Plattformen beziehe ich in meine Kommunikation ein und wie passt das zu meiner Kultur. Will ich einen moderierenden und aktiven Part übernehmen und wen setze ich dafür ein? Starbucks ist da ein interessantes Beispiel für die offene Kommunikation über Twitter und YouTube.

Leser: Liebe Frau Prof. Bellone: Welche Schlussfolgerungen ergeben sich für Sie aus dem Rückgang des Gründungsinteresses? Nach dem DFV-Barometer haben offenbar die meisten Franchise-Systeme ihre Expansionsziele 2013 nicht erreicht.

Veronika Bellone: Ein Grund ist sicherlich, dass wir es vermehrt mit einer neuen Generation, den Digital Natives (Generation Y, geboren ab 1980) als potenziellen Existenzgründern und -Gründerinnen zu tun haben. Und mit ihnen vollzieht sich ein Wertewandel. Die Digital Natives sind in einer Zeit relativen Wohlstands aufgewachsen, die Internetentwicklung haben sie von Beginn an miterlebt und damit eine andere Informations- und Selbstbehauptungskultur. Die Vorgängergenerationen haben ihnen einige Bürden auferlegt. Eine nicht intakte Umwelt, arbeiten bis zum Burn-out etc. Das lässt die Einstellung zur beruflichen Selbstständigkeit in einem neuen Licht erscheinen. Lebens-/Arbeitsqualität definiert sich für diese Generation neu.

Leser: In einem Ihrer Artikel betonen Sie, dass Nachhaltigkeitsmaßnahmen nicht nur auf Idealismus beruhen sollten, sondern auch messbar sein müssen. Wie lässt sich dieses Ziel in der Praxis erreichen?

Veronika Bellone: Wir verwenden dafür Greenfranchise Balanced Scorecards. Darin werden mit den Kunden Nachhaltigkeitsziele auf den vier Ebenen (sozial, ökologisch, kulturell und ökonomisch) definiert. Nehmen wir ein Beispiel wie den Energieverbrauch, den Sie bis 2016 in Ihren Franchise-Shops um 10 Prozent verringern wollen. Die strategische Ausrichtung muss zu Ihrer Unternehmensstrategie passen, zu Ihrer Kultur. Massnahmen und Kontrollpunkte entwickeln wir in der Regel mit einem Projektteam oder Beirat, bestehend aus Franchise-Partnern und Mitarbeitenden. Damit lassen sich sehr wirksam quantitative und qualitative Ziele setzen, die messbar und integral sind - also der Unternehmung adäquat.

Leser: Sollten Franchise-Systeme der von Partnern immer wieder vorgebrachten Forderung nach mehr Transparenz nachkommen? Welche Daten und Fakten müssen der Unternehmensführung vorbehalten bleiben?

Veronika Bellone: Transparenz und Offenheit haben in der Führungskultur sehr positive Aspekte, weil sie den häufig zitierten Satz, "Betroffene zu Beteiligten zu machen", beinhalten. Sie können damit die Mitverantwortung der Partner/innen für das gesamte System stärken. Die Partner/innen müssen wissen, wofür Ihre Unternehmung steht, welche Werte sie vertritt, was Sie längerfristig vorhaben und welchen Anteil an Weiterentwicklung die Systemmitglieder haben. Letzteres nicht nur finanziell sondern auch in Form von Informationsweitergabe. Meist beziehen sich Fragen nach mehr Transparenz auf die Verwendung und Verteilung der Gebühren. Hier empfehle ich eine offene Haltung, da das "Orakeln", was denn mit dem Geld passiert, zu vielen Fehlinterpretationen führt. Je offener Sie mit diesen Themen umgehen und diese auch an Ihre Zielsetzungen mit dem System anknüpfen, desto nachvollziehbarer wird es für die Partnerinnen und Partner. Ausserdem besteht so die Chance, dass in guten wie in schlechten Zeiten informierte Partner hinter Ihnen stehen.

Leser: Lassen sich durch das maßgeblich von Ihnen geförderte Greenfranchising wirklich neue Wachstumsfelder im deutschen Franchising erschließen?

Veronika Bellone: Absolut! Franchising birgt durch die Multiplikator-Wirkung enormes Potenzial, nachhaltige Konzepte in grossem Masse zu realisieren. Franchise-Unternehmen sind durch ihre arbeitsteilige Struktur schnell anpassungsfähig und sehr aktiv, weil alle Partner/innen eingebunden werden können. Denn alle haben ein Interesse daran, eine solide Existenz auf- und auszubauen. Und die Chancen sind vielfältig! Ob im Bereich neuer Mobilität, selbstbestimmter Lebensführung im Alter, neuer Versorgungsformen u.v.m. Greenfranchise-Unternehmer/innen sind für ergänzende Allianzen offen, um ein Nachhaltigkeitsthema von A-Z zu denken. Das bewirkt Entwicklungsfähigkeit in hohem Masse.

Leser: Liebe Frau Professor Bellone: Welche heutigen Nischen werden aufgrund der Megatrends den Konsum von morgen prägen? Oder anders gefragt: Welche der sich abzeichnenden Geschäftsmodelle entsprechen in hohem Maße den künftigen Bedürfnissen der Konsumenten und schätzen Trendforscher als besonders zukunftsträchtig ein?

Veronika Bellone: Wir leben in einer Zeit, die gefühlt immer schneller läuft. So werden Konzepte, die mir Zeit "schenken", weil sie bequem sind, weil sich vieles auf einmal erledigen lässt, noch attraktiver. On- und offline wird es um Bündelungen von Sortimenten und Diensten gehen und um den Full-Service. Personifizierte Verkaufshilfen wie bei Amazon werden wichtiger, weil sich so auch Bestellungen schneller erledigen lassen, die nicht unbedingt zu den Highlights gehören (z.B. Einkauf von Lebensmitteln). Neue Formen von "Tante-Emma-Läden" werden wieder realisiert (ebenfalls on- und offline). Neu an den physischen Läden ist dabei, dass ein Rund-um-Service angeboten wird, von ärztlicher und tierärztlicher Versorgung, Cafékonzept, Supermarkt etc.. Gedacht vor allem für ältere Personen, die mit einer Fahrt alles erledigen können und damit auch die Mobilität nachhaltiger gestalten.

Leser: Auf welchen Kanälen werden wir unsere Franchise-Interessenten und Kunden in Zukunft vorwiegend erreichen? Sind wir Mediengiganten wie Facebook, Amazon, Google und Apple alternativlos ausgeliefert? Oder haben innovative Ansätze wie Job Jackpotting, Viral Posting oder Creative Contests echte Chancen?

Veronika Bellone: Nun, die meisten von uns nutzen Google & Co beim "Kennenlernen" von Vertragspartnern und ziehen Informationen heraus. Das ersetzt nicht das Gespräch, das wir dann mit den Bewerbern oder pot. Vertragspartnern führen. So sehe ich auch kein Ausgeliefertsein, sondern einen Einbezug bei der Rekrutierung - sinnvoll je nach Zielgruppe. Wie und wo lassen sich Ihre Botschaften für die Ausschreibung am besten transportieren? Welche Medien werden von Ihren avisierten Partnerprofilen bevorzugt? Sind es Entdecker und Pioniere? Dann können Sie auch auf neue Formate setzen. Ansonsten halte ich die Reichweite und Bekanntheit der Plattformen doch für sehr entscheidend.

Leser: Ihren Hinweis auf die veränderte Lebenseinstellung der Digital Natives finde ich interessant! Würden Sie die Rekrutierung von Paaren in Betracht ziehen, um Ihren Franchise-Partnern eine ausgeglichene Work-Life-Balance zu ermöglichen?

Veronika Bellone: In vielen Fällen ist es heute bereits so, dass Paare involviert sind. Das muss nicht zwingend zur Work-Life-Balance beitragen ;-) Auch bei den Digital Natives nicht! Ob im Geschäft als Paar oder als Lebenspartner, der mittelbar die Freuden und Leiden des Partners mitträgt - es kommt darauf an, ob die Franchise-Existenz zwei Aufgabenbereiche entsprechend den Qualifikationen des Paares bereithält.

Leser: Sollten Sie recht haben und Paare künftig gemeinsam eine Franchise-Lizenz erwerben wollen: Wie geht man dann als Franchise-Geber damit um, dass Partnerbetriebe ständig durch Beziehungsprobleme in Frage gestellt werden?

Veronika Bellone: Ich gehe nicht von Paargemeinschaften als Voraussetzung für mehr Lebensqualität im Geschäft aus. Wie in meiner vorherigen Antwort genannt, muss überprüft werden, ob das Tätigkeitsfeld eine erfüllende Arbeit für beide Personen bereithält. Ausserdem muss die rechtliche Situation geklärt sein, wer Vertragspartner ist.

Leser: Kürzlich bin ich auf ‚Mikroworking‘ als Trend gestoßen. Wie Sie sicher wissen, werden beim Mikroworking größere Aufgaben in kleine Jobs aufgeteilt, die dann von einer Masse an Menschen ausgeführt werden. Sehen Sie darin Potenzial für ein innovatives Franchise-Konzept?

Veronika Bellone: Es gibt solche Formen bereits in Schwellenländern. Mit Mikro-Krediten finanzierte Kleinstexistenzen, die vielen Familien ein Auskommen sichern. Viele Geschäftsideen rekrutieren sich aus dem Franchise-Business (Optik, Autowerkstatt, Lebensmittelhandel...)

Leser: Wird sich das hinter verschlossenen Türen mit Industrie-Vertretern ausgehandelte Freihandelsabkommen (www.campact.de/ttip) zwischen den USA und Europa auch auf die Franchise-Wirtschaft auswirken? Wird damit z.B. die Internationalisierung des Franchising voranschreiten?

Veronika Bellone: Die Internationalisierung schreitet voran. Sie wird immer anspruchsvoller, weil sich auf dem globalen Markt auch die Anzahl an Mitbewerbern potenziert. In Zukunft werden wir vermehrt Systeme kennen lernen, die aus dem Ausland zu uns kommen. Vielfach aus den Schwellenländern mit neuen automatisierten und digitalisierten Konzepten.

Leser: Angesichts der demografischen Entwicklung verschärft sich in Deutschland der Kampf um Talente. Oft ist es bereits schwierig, qualifiziertes Personal für die Systemzentralen zu finden. Wie lange wird es kleineren Franchise-Systemen unter diesen Bedingungen noch gelingen, qualifizierten Bewerbern einen attraktiven Berufsweg aufzuzeigen?

Veronika Bellone: Das ist ein Umstand, der viele Unternehmen bewegt, dass gerade jüngere Mitarbeitende nur über einen kurzen Zeitraum zu halten sind. Mein Tipp ist: Zeigen Sie Möglichkeiten der Weiterentwicklung auf, die nur mittelbar mit den betrieblichen Aufgaben zu tun haben. Die dm-Drogeriekette ist ein fantastisches Beispiel dafür. Mitarbeitende durften sich dort kürzlich als Reporter "ausprobieren". An einer Nachhaltigkeitskonferenz in Berlin haben sie nach einem eigens erstellten Plan, Redner/innen und Teilnehmer zu einem - für dm relevanten Thema - interviewt. Deren Filme dazu wurden im Unternehmen gezeigt und öffentlich gemacht. Sie durften an einem Projekt wachsen.

Leser: Was werden sich Franchise-Systeme auf die längere Erwerbstätigkeit ihrer Franchise-Nehmer ein stellen? Auf welchen Gebieten sind vor allem Anpassungen erforderlich?

Veronika Bellone: Einerseits ist das eine vertragliche Auseinandersetzung und andererseits müssen Sie schauen, ob sich Aufgabenbereiche verlagern. Gäbe es zum Beispiel die Möglichkeit, das Erfahrungswissen langjährig tätiger Partner/innen anderweitig im System zu nutzen?

Leser: Wie wird sich die verstärkte Übernahme von Führungspositionen durch Frauen auf die Partnersuche und die folgende Ausgestaltung der Franchise-Partnerschaft auswirken?

Veronika Bellone: Da wird einiges verändern, was sich hier aufgrund der fortgeschrittenen Zeit nicht mehr beantworten lässt. Vor allem aber: Es werden sich so auch mehr potenzielle Franchise-Nehmerinnen ansprechen lassen!

Veronika Bellone: Liebe Chat-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer. Vielen Dank für Ihre vielfältigen Fragen. Ich wünsche Ihnen für Ihre Zukunftsgestaltung alles Gute und viel Erfolg. Herzlichst Ihre Veronika Bellone

Prof. Veronika Bellone

Prof. Veronika Bellone

Bellone FRANCHISE CONSULTING GmbH

Franchise-Beratung, Professorin an zwei Schweizer Hochschulen, Publikationen zu Marketing- und Franchise-Themen. Konzeption des Greenfranchise Awards, der 2018 zum sechsten Mal vergeben wurde.

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