Ratgeber
für Franchise-Interessierte

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Voraussetzungen der Franchise-Nehmer-Gewinnung

Tino Stiffel: Guten Morgen, liebe Franchise-Interessierten. Kurz vor dem - für uns alle sicher wohlverdienten - langen Wochenende widmen wir uns die nächsten zwei Stunden dem Thema der Franchise-Nehmer-Gewinnung. Und zwar aus Marketing-Sicht. Oft wird neben dem Endkundenmarketing dieser so wichtige Markt der Franchise-Nehmer etwas stiefmütterlich behandelt, was zur Folge hat, dass die Expansions-Ziele nicht erreicht werden. Mich interessiert Ihre Meinung dazu, Ihre Fragen zum Thema Franchise-Nehmer-Gewinnung. Und auch für weitere Themen in Bezug auf Franchise-Marketing steht die Diskussion offen. Was bewegt bzw. bremst Sie zur Zeit in Ihrem laufenden System? Oder: was sind für Sie die größten Herausforderungen im Aufbau Ihres Systems?

Leser: Guten Morgen Herr Stiffel: Welche Kommunikationskanäle haben sich bei der Franchise-Nehmer-Gewinnung besonders bewährt?

Tino Stiffel: Guten Morgen. Einen goldenen Mittelweg gibt es ja bekanntlich nicht. Es gibt Systeme, die z.B. als Kanal voll auf XING setzen, weil sie hier durch die direkte Ansprache ihre Zielgruppe perfekt erreichen. Ein System bekommt dadurch sogar 80% ihrer Franchise-Nehmer. Andere Systeme finden auch via Facebook Interessenten, die zu Abschlüssen führen. Ansonsten gibt es auch oft Fälle, bei denen z.B. die klassischen Stellenanzeigen super funktionieren.

Tino Stiffel: In der Regel ist es aber der Mix, der es ausmacht. Also die Präsenz auf verschiedenen Kanälen. Um dann von mehreren Seiten her wahrgenommen zu werden. Insgesamt ist anfangs stets die Analyse des "idealen Franchise-Nehmers" elementar. Man muss sich im Klaren sein, wen man erreichen will. Und dann gehen wir auf die Suche nach den "TouchPoints" - wo erreichen wir also diese Zielgruppe? Auch wichtig zu fragen: Möchten wir rein Personen ansprechen, die "irgendwas mit Franchising" machen wollen? Dann genügt die Präsenz auf den Portalen oft. Um aber z.B. auch auf Angestellte zuzugehen, die vielleicht in ihrem Job unglücklich sind, bedarf es zusätzlich weiterer Kanäle.

Leser: Hallo Herr Stiffel, würden Sie die Thematik der Partnergewinnung in die allgemeine Website aufnehmen oder dafür eine spezielle Website entwickeln?

Tino Stiffel: Beides. Auf der allgemeinen Website sollte das Thema eine nicht zu kleine Rolle spielen. Hier sollte es also auf jeden Fall zumindest den Menuepunkt, idealerweise einen kleinen Bereich für die Vor-Info geben. In den meisten Fällen empfehlen wir zusätzlich den Aufbau einer eigenen Franchise-Website, welche dann einen Tick ausführlicher das Thema behandelt. Warum eine eigene Website? Auch aus Gründen des Trackings macht das Sinn. Das Tracking ist darum wichtig, dass wir messen können, aus welchen Quellen unsere Leads kommen. Das brauchen wir, um den Mediamix zu optimieren, um die Budgets bestmöglich einzusetzen.

Leser: Sie haben sich in der Vergangenheit intensiv mit Informationsbroschüren von Franchisesystemen beschäftigt. Was sind Ihrer Meinung nach die häufigsten Fehler bei der Erstellung von Infobroschüren? Wenn Sie Änderungen an der Systembroschüre empfehlen, womit tun sich Franchisesysteme am schwersten und warum?

Tino Stiffel: Ja, wir haben vor ein paar Monaten eine groß angelegte Analyse von Franchise-Broschüren durchgeführt. Und daraus eine kleine Studie veröffentlicht (wen das Ergebnis / eine kurze Auswertung interessiert, kann mich gerne anschreiben). Häufige Fehler sind zum Beispiel, dass hier erstaunlich oft kein Wert auf das Erscheinungsbild einer solchen Broschüre gelegt wird. Oft wird das Tool rein als Informationsmedium genutzt, also textlich total überladen, ohne sich zu fragen: Macht es Spaß, unsere Broschüre zu lesen? Erfüllt die Broschüre den Zweck, dass man das Interesse stärkt, für uns als FN tätig zu werden? Manchmal werden in den Broschüren konkrete Verdienstmöglichkeiten aufgezeigt, was wir nicht empfehlen - das kann rechtlich im späteren Verlauf zu großen Problemen führen. Allgemein wird einfach zu oft der Markt nicht richtig behandelt und die Zielführung fehlt. Was soll erreicht werden mit der Broschüre? Was soll seitens des FN der nächste Schritt sein, wenn er die Broschüre gelesen hat? Haben wir hier einen klaren "Call to Action"? - Da fehlt es aber oft auch an einem insgesamt klar strukturierten Konzept, wie der Prozess der FN-Gewinnung abzulaufen hat...

Leser: Worauf sollte man als Franchise-Geber bei der inhaltlichen Gestaltung der Rekrutierungsseite unbedingt achten?

Tino Stiffel: Nicht zu ausführlich werden. Ziel der Rekrutierungs-Website sollte sein, das bestehende Interesse zu verstärken. Das Bedürfnis zu verstärken, FN dieses Systems zu werden. Es ist allerdings für den Prozess meist förderlich, wenn auf der Website NICHT alle Fragen beantwortet werden. Ziel der Website sollte also sein, dass der Interessent sein Interesse durch Angabe seiner Daten bekundet. So dass wir ihn nun registrieren und mit den nächsten Schritten auf ihn zugehen können. Ein Telefonat oder das Zusenden der Broschüre folgt hier i.d.R. als nächster Schritt. Und damit dann auch die weiterführenden Informationen.

Leser: Einen guten Morgen Herr Stiffel, wie schätzen Sie die Bedeutung der verschiedenen Kommunikationskanäle für den tatsächlichen Abschluss von Franchise-Verträgen ein? Gibt es hierzu Studien oder Umfrageergebnisse? Meine Frage hat den Hintergrund, dass v.a. Franchisekenntnisse und Gründungsmotivation je nach Kanal erhebliche Unterschiede aufweisen.

Tino Stiffel: Guten Morgen, danke für diese These. Es ist richtig, dass manche Kanäle zwar viele Anfragen erzielen, aber dafür weniger Abschlüsse. Und richtig ist auch, dass wir bei Ansprache eines Leads, der z.B. über ein Portal kommt, normalerweise weniger Erklärungsbedarf zum Thema Franchise haben, als bei einem Kontakt, den wir z.B. über XING anschreiben. Portal-Leads bringen hier oft mehr Offenheit zu dem Thema mit als anderweitige Kontakte - gerade weil ja leider nach wie vor das Image des Franchising bei manchen Personen negativ behaftet ist. Das Gleiche gilt für die Gründungsmotivation. Insbesondere beim Kanal "Stellenanzeigen" ist hier viel Überzeugung notwendig, um eine Person, die eigentlich nur einen Job sucht, dazu zu bringen, sich selbständig zu machen.

Leser: Wir haben zwar zahlreiche Kontakte, aber nicht einen ernst zu nehmenden Interessenten über soziale Netzwerke wie Facebook oder XING generiert. Gibt es einen erfolgversprechenden Weg, um den Weizen von all der Spreu zu trennen?

Tino Stiffel: Wie bei quasi allen Kanälen ist hier viel Geduld und viel Selektion notwendig, um die Spreu vom Weizen zu trennen. Vielleicht liegt es auch an Ihrer spezifischen Zielgruppe, die bei Ihnen über die sozialen Netzwerke einfach nicht zu erreichen ist. In diesem Fall müssten vielleicht mal ganz neue Wege angegangen / getestet werden. Aber für den Selektierungsprozess eignen sich ja manchmal auch "aufwändigere" Bewerbungsprozesse. Wenn auf der Website für das Anfordern weiterer Infos erstmal ein großes Formular ausgefüllt werden muss, schreckt das schon manche ab, die eigentlich gar nicht wirklich wollen... Wer also wenig Kapazitäten hat, um viele Anfragen zu bearbeiten, wählt manchmal diesen Weg - auf dem aber auch mal ein wertvoller Kontakt verloren gehen kann...

Leser: Sollte man bei Aufstellung der qualitativen und quantitativen Anforderungen tatsächlich von einem Idealprofil ausgehen, dem man sich dann anzunähern versucht? Ist es nicht besser, Mindestanforderungen (Muss-Kriterien) zu definieren, die es zu übertreffen gilt? Oder ist das eigentlich „gehupft wie gesprungen“?

Tino Stiffel: Das kommt teils auf das Gleiche raus, da das Idealprofil sich ja unter anderem aus Mindestanforderungen zusammensetzt. Die Definition des idealen FN bedeutet ja auch nicht, dass man damit alle anderen Bewerber, die nicht exakt dem Idealprofil gleichen, ausschließt. Es hilft lediglich bei der Auswahl geeigneter Medien.

Leser: Wie würden Sie bei der Erstellung des Anforderungsprofils konkret vorgehen? Wir wollen sicherzustellen, dass unsere künftigen Vertriebspartner die ihnen übertragenen Funktionen auch wirklich erfüllen können.

Tino Stiffel: Oft eignen sich hier Persönlichkeitstests. Vielleicht kennen Sie diese Einstufungen, an denen man erkennt, ob eine Person eher "rot" / "grün" / "blau " / "gelb" ist. Also wie stark verschiedene Charakterzüge und Einstellungen ausgeprägt sind. Ich kenne einige Systeme, die solche (z.B. DISG) Tests einsetzen, um Bewerber einzustufen. Weil sie wissen, dass sie in ihrem System z.B. nur mit rot-blauen FNs Erfolge haben werden. Andere Systeme schaffen es nicht, so eine Methode anzuwenden, weil ihnen diese Auswertung nichts bringt. Um das herauszufinden, empfehle ich, dass Sie (sofern Sie schon ein bestehendes System sind) alle Ihre FNs einen solchen Test durchführen lassen. Dann sehen Sie vielleicht, ob Ihre Performer eine Schnittmenge bilden.

Leser: Die Franchise-Wirtschaft überschwemmt die Kandidaten mit tollen Werbeversprechen zu Erfolg, Zufriedenheit, Reichtum etc. Wie kann man einen Interessenten am besten von der eigenen Seriosität und dem Wahrheitsgehalt der eigenen Aussagen überzeugen, wenn dieser sich über das Internet bereits eine hohe Grundskepsis angelesen hat?

Tino Stiffel: Mit am ehrlichsten kommt es sicher rüber, wenn Sie Ihrem Interessenten die Möglichkeit darlegen, auf Ihre bereits bestehenden FNs zuzugehen. Dann kann er sich am besten ein Bild der Realität machen. Wenn Sie noch keine FN haben, müssen Sie mit Ihrem Konzept überzeugen und auf einen gesunden Menschenverstand hoffen. Dazu hilft im ersten Schritt ein seriöser Auftritt Ihres Unternehmens. Oft auch bereits in den Unterlagen Statements Ihrer FNS oder auch Kunden / Partner. Sobald Sie irgendwo das Gefühl wecken, dass Sie irgendetwas verbergen, wird es freilich schwierig mit dem Vertrauen...

Leser: Bei der Partnergewinnung scheint (leider) nur noch das Internet zu zählen. Gibt es noch irgendwelche Messen, Konferenzen oder andere Veranstaltungen mit einer gewissen Aussicht auf Erfolg?

Tino Stiffel: Im Bereich Messe gibt es nicht (mehr) viel. Hier geht nun der "Franchise Matching Day" (im November in Köln) in die nächste Runde. Schauen Sie sich das mal an, ob das etwas für Sie ist. Hier gehen die Meinungen auseinander, wobei die Tendenz nach oben geht. Ansonsten haben Sie ja eventuell die Möglichkeit, eigene Veranstaltungen / Roadshows durchzuführen. Zusammen mit anderen gründungsaffinen Experten, eventuell auch zusammen mit einem weiteren Franchise-System, könnten Sie einen "Gründer-Tag" ins Leben rufen, mit dem Sie z.B. durch das Land touren.

Leser: Hallo! Worauf ist bei der Erstinformation der Interessenten sonst noch zu achten? In welcher medialen Form und Frequenz würden Sie Informationen zur Verfügung stellen?

Tino Stiffel: Ich empfehle meist ein kurzes erstes Telefonat nach der ersten Kontaktaufnahme des Interessenten. Das muss nicht lange sein, dient aber zum einen dazu, herauszufinden, ob es sich um einen "echten" Interessenten handelt. Und dient desweiteren dazu, in diesen automatisierten Prozess gleich anfangs eine persönliche Note hinein zu bekommen. Was Sie gegenüber den meisten anderen Systemen direkt positiv hervorstechen lassen dürfte. Nach diesem Telefonat könnte die Zusendung einer Broschüre (gedruckt oder digital) der nächste Schritt sein. Je nachdem wie diese gestaltet ist, könnte nun die Phase kommen, bei der Sie sich NICHT mehr von Ihrer Seite aus melden. Sondern lieber warten, bis sich der Interessent meldet. Wenn er sich 4 Wochen nicht gemeldet hat, vielleicht noch eine Mail senden, und dann den Kontakt abbrechen. Wenn man zu lange und oft an einen Interessenten hinbohren muss, lohnt es sich so gut wie nie. Wer wirklich will (und das sind ja die Kandidaten, die auch wir wollen), meldet sich bei Ihnen von selbst. Sofern Sie die entsprechenden Kanäle dafür bieten.

Leser: Sind hochwertige, gedruckte Info-Flyer noch zeitgemäß? Schaden wir damit möglicherweise unserem Image bei einer jüngeren Zielgruppe?

Tino Stiffel: Sie meinen wohl bezüglich des Umwelt-Gedankens? Nein, diese Erfahrung haben wir noch nicht gemacht. So weit sind wir noch nicht, dass die Produktion von Druckunterlagen direkt einen Imageschaden mit sich bringt. Gerade dann nicht, wenn es sich um ein solch großes und wichtiges Thema handelt. Die Entscheidung, sich einem Franchise-System anzuschließen, ist ja schon eine der größten Entscheidungen, die man so im Leben trifft. Insofern ist unsere Einstellung klar, dass das noch zeitgemäß ist. Sogar mehr denn je. Denn je digitaler alles wird, je weniger man mit gedruckter Information konfrontiert wird, desto besser kommt es an, wenn Sie (im Gegensatz zu immer mehr anderen Systemen) sich mit einer gedruckten Broschüre abheben. Das zeugt ja auch von Größe und Professionalität.

Leser: Sie wiesen auf die Problematik des Anfrageformulars hin. Aufgrund welcher weiterer Unzulänglichkeiten im Rekrutierungsprozess gehen häufig Kandidaten verloren und wie vermeidet man solche Fehler?

Tino Stiffel: Kandidaten gehen oft damit verloren, dass schon die Website "alle" Fragen beantwortet und der Interessent sich somit erstmal gar nicht mit Ihnen im ersten Schritt in Verbindung setzen muss. Wenn nun Ihre Mitbewerber bereits seine Kontaktdaten haben und damit direkt einen persönlichen Bezug aufbauen, kann für Sie der Kandidat weg sein. Das gilt vor allem für hart umkämpfte Märkte mit vielen Systemen, die auf die gleiche Zielgruppe gehen. Ansonsten geht das Interesse von Kandidaten oft mit unprofessionellen Unterlagen verloren. Wer will sich schließlich einem System anschließen, das hier einen schwachen Auftritt hinlegt? Jeder will Teil einer "starken Marke" werden und stolz darauf sein, Teil davon zu sein. Wenn hier also Ihr erster Eindruck "versagt", kann das rasch direkt zum Verlust eines Interessenten führen. Wie vermeidet man das? Behandeln Sie den Markt der Franchise-Interessenten mindestens mit gleicher Sorgfalt wie ihren Endkundenmarkt. Nehmen Sie sich Zeit, definieren Sie Ihre Franchise-Geber-Marke, bringen Sie Struktur in Ihren Prozess, um hier professionell aufzutreten.

Leser: Was halten Sie von lokalen Veranstaltungen für Frauen, denen Wege (zurück) ins Berufsleben aufgezeigt werden? Kann man dort auch ein Franchise-Konzept vorstellen?

Tino Stiffel: Ja, auf jeden Fall. Wenn Ihr System es dann auch noch ermöglichen sollte, dass es für den FN auch in Teilzeit möglich ist, Erfolg zu haben, finden Sie bestimmt auf einer solchen Veranstaltung Zuspruch.

Leser: Erfahrungsgemäß möchten unsere Anfrager zu Beginn des Gesprächs kaum Informationen über sich preisgeben. Wie können wir sie dazu motivieren? Welche persönlichen Informationen sollten wir gleich zu Beginn unseres Dialogs von einem Anfrager erwarten dürfen?

Tino Stiffel: Natürlich sind die Interessenten anfangs noch vorsichtig, unsicher und haben oft Angst, direkt "ihre Hosen runterzulassen". Je offener Sie sich darstellen, und je mehr Sie es schaffen, mit dem Interessenten auf eine emotionale Gesprächsebene zu kommen, desto schneller werden Sie zu Ihren Informationen kommen. Bauen Sie ein Vertrauensverhältnis auf. Stellen Sie Fragen vielleicht nicht direkt, sondern eher indirekt, um die für Sie wichtigen Informationen zu bekommen. Oder stellen Sie Thesen in den Raum, die zu Reaktionen führen. Also statt der Frage nach den finanziellen Verhältnissen können Sie ja innerhalb des Gespräches erste vorsichtige Informationen zu notwendigen Investitionen geben. Die Information, ob das Ganze überhaupt finanziell stemmbar ist, ist für Sie relevant, da Sie sonst vielleicht viel Zeit verschwenden, wenn sich das erst im späteren Verlauf herausstellt, dass es finanziell nicht leistbar ist...

Leser: Wo nimmt ein durchschnittliches Franchise-System all die Themen her, um die in Betracht kommenden sozialen Medien kontinuierlich zu füttern und mit Interessenten in Kontakt zu treten?

Tino Stiffel: In einem "durchschnittlichen System" sollte es einen fest definierten Ansprechpartner geben, der den Bereich der sozialen Medien in seiner Verantwortung hat. Ein Social Media Konzept sollte dann klar definieren, was die Ziele dieses Kanals sind und welche Frequenzen in der Kommunikation dazu vonnöten sind. Mit diesem Weg schafft man es dann in der Regel, dass der Verantwortliche den Bereich steuern kann. Verantwortliche sind übrigens oft auch geeignete Auszubildende, die dem Thema Social Media oft weit aufgeschlossener gegenüber stehen. Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Zum In-Kontakt-Treten mit Interessenten sehe ich hier keinen direkten Zusammenhang.

Leser: Sie erwähnten gerade den Vorteil einer persönlichen Note bei der Kontaktaufnahme mit Interessenten. Brauchen Franchise-Systeme trotzdem eine kanalübergreifende Software für das Leadmanagement? Ist eine teilweise oder vollständige Automatisierung der Interessentenansprache überhaupt sinnvoll?

Tino Stiffel: Je nach Größe des Systems. Kleinere Systeme schaffen es, sich hier über Excel-Lösungen zu organisieren. Je mehr Interessenten, desto sinnvoller ist eine professionelle Lösung wie "Salesforce" & Co, um noch einen Überblick zu haben und die Interessenten professionell im Auge zu behalten. Ich kann das nur empfehlen...

Leser: Ich hatte eher die Sorge, dass wir bei einer jüngeren Zielgruppe als Dinosaurier gelten könnten, wenn wir auf Printmedien setzen. Aber um Ihre Antwort aufzugreifen: Welche Bedeutung haben Umweltfragen für potenzielle Franchise-Nehmer? Sind sie nach Ihrer Kenntnis wirklich präsent oder eher ein Beraterthema?

Tino Stiffel: Als Dinosaurier? Nein. Gar nicht. Das schaffen Sie eher mit der Art der Gestaltung Ihrer Unterlagen als mit dem Medium. Klar, eine digitale Variante sollte auch existieren, um auch mal schnell Unterlagen per Mail versenden zu können. Thema Umwelt: Umweltfragen sind durchaus ein Thema: Systeme, die nachhaltig arbeiten, finden mehr Zulauf als Systeme, denen ihre Umwelt egal zu sein scheint. Das drückt Zukunftsorientiertheit aus, damit können sich viele besser identifizieren. Und das bietet ja auch gerade Franchise-Systemen die Möglichkeit, sich abzuheben. Auch gegenüber Einzelgründern, denen ein Nachhaltigkeitskonzept oft alleine aus finanziellen Gründen schon schwerer fällt als einer größeren "Kette".

Leser: Wie stehen Sie generell gegenüber Bemühungen, Nachhaltigkeit strategisch in der Franchise-Marke zu verankern?

Tino Stiffel: Finde ich gut und wichtig, siehe letzte Antwort. Auch hier wieder vor allem in einem hartumkämpften Markt - das Nachhaltigkeitssiegel bietet die Möglichkeit, sich mit oft gar nicht so teuren Maßnahmen diese Vorteile zu verschaffen. Rein aus Marketingsicht. Das persönlich bessere Gefühl mal ganz außen vor gelassen :)

Leser: Aus welchen Komponenten besteht für Sie eine erfolgversprechende Rekrutierungsstrategie im B2B-Segment, deren Schwerpunkt auf der Gewinnung besonders leistungsstarker Franchisepartner liegt?

Tino Stiffel: Ich versuche es mal in Kürze: 1) Definition Expansions-Ziele, 2) Aufbau Franchise-Geber-Marke, 3) Budget-Definition (größtenteils abzuleiten aus den Expansions-Zielen und des Wert eines neuen Franchise-Nehmers), 4) Existenz einer knappen, zielführenden Franchise-Website, 5) Existenz von aussagekräftigen, sympathischen Unterlagen als digitale (idealerweise auch als Print) Broschüre, 6) Aufbau des inneren Prozesses zur professionellen Abarbeitung von Leads, 7) Aufsetzen einer Kampagne (weitere Maßnahmen neben Portalen - je nach System und Zielgruppe), 8) stetige Kontrolle (durch Tracking der Maßnahmen) und Optimierung, 9) den Prozess erfolgreich führen und Abschlüsse machen...

Leser: Kennen Sie einen guten Weg oder Trick, um vom Anfrager frühzeitig eine wahre Auskunft zum verfügbaren Eigenkapital zu erhalten?

Tino Stiffel: Eine konkrete Auskunft des verfügbaren Kapitals? Nein, da kenne ich keinen Trick. Man sollte nur rechtzeitig herauszufinden versuchen, ob man finanziell überhaupt zusammenpasst, siehe oben.

Leser: Es kommt immer wieder vor, dass sich Kandidaten unangemeldet bei unseren bestehenden Partnern melden und sie intensiv ausfragen. Leider fühlen sich unsere Partner dadurch eher belästigt und reagieren genervt, insbesondere weil der dadurch entstehende Aufwand unangemeldet kommt. Wie kann ich unsere Partner davon überzeugen, dass sie eine wichtige Rolle bei der Lizenzvergabe spielen und indirekt auch davon profitieren werden?

Tino Stiffel: Zum einen erinnern Sie die bestehenden FN an ihren eigenen Prozess und wie dankbar sie hier selber für eine Auskunft gewesen wären / bzw. ja auch waren. Zum anderen machen Sie den FNs bewusst, wie stark jeder einzelne FN von der starken Marke profitiert. Und dass ein wesentlicher Hebel der starken Marke die Expansion ist. "Je größer Ihr System wird, desto mehr Stärke erhält Ihre Marke, desto mehr Umsatz macht jeder einzelne Ihrer FN". Gemeinsam stark...

Leser: Welches Ziel verfolgt denn sonst die Einbeziehung "sozialer" Medien oder Netzwerke? Wir wollen doch letztlich über unsere Veröffentlichungen besonders interessierte Leser zu einer Reaktion veranlassen und mit ihnen in Kontakt treten. Oder habe ich da etwas falsch verstanden?

Tino Stiffel: Ja, das ist eines der Ziele. Wobei ja normalerweise z.B. kein Facebook-Account mit dem primären Ziel der FN-Gewinnung gepflegt wird. Das ist dann eher ein positiver Nebeneffekt. Über soziale Netzwerke erzielen Sie die Leads eher durch die gezielte Ansprache potentieller Kandidaten (XING) oder über das Schalten von Anzeigen oder das Bewerben von darauf abzielenden Posts (Facebook).

Leser: Würden Sie sich als Franchisegeber in Internetforen auf Diskussionen mit Kritikern einlassen, welche die Seriosität des Franchising generell in Frage stellen oder ist dies vergebliche Liebesmüh?

Tino Stiffel: Franchise-Gegner / -Kritiker freuen sich bestimmt über solche öffentlichen Diskussionen. Und finden genügend Beispiele, wie sie das Franchising negativ darstellen können. Ich fürchte, eine öffentliche Diskussion zu diesem Thema ist eher kritisch zu betrachten. Wenn Sie sich hier nicht sattelfest fühlen, könnte es der schlauere Weg sein, das Thema nicht auszudiskutieren, sondern knapp und neutral zu kommentieren. Wenn Sie sich sattelfest fühlen: gerne... Es gibt ja genügend Erfolgsgeschichten aus dem Franchising, die es nach vorne zu tragen gilt. Wenn Sie hier mit guten Argumenten arbeiten können und vor allem auch wenn Ihr System sich hier positiv abheben kann, könnte sich diese Diskussion für Sie positiv auswirken.

Leser: A propos Salesforce&Co: Welche Daten von Franchise-Interessenten würden Sie im Rahmen eines professionellen Lead Nurturing sammeln und wie würden Sie dabei vorgehen?

Tino Stiffel: Das geht jetzt recht ins Detail und sprengt - um es allgemein zu beantworten - den Rahmen. Und ist ja auch stark abhängig davon, wie Sie rekrutieren, wie Ihr Idealkandidat aussieht, ob Sie mit Persönlichkeitsprofilen arbeiten, etc. - Davon hängt dann ab, wie auf einer Plattform wie Salesforce Ihre Eingabemasken und Auswertungen aussehen...

Leser: Super, eine tolle Zusammenfassung! Und mit welcher Priorität sollten Marketingmaßnahmen ergriffen werden, um die richtigen Zielgruppe in ausreichender Zahl und Intensität anzusprechen?

Tino Stiffel: Danke :) - In welcher Priorität hängt davon ab, wie stark die "passive Leadgenerierung" zur Erreichen Ihrer Ziele beiträgt. Beispiel: Sie haben das Ziel, je Quartal 1 FN aufzubauen. Dazu brauchen Sie 100 Interessenten, also ca. 30 im Monat. Bekommen Sie durch Ihre "Passivität" (Einträge in Portalen, Besucher über Ihre Website, Einträge in Verzeichnissen) bereits 40 Leads im Monat? Und diese führen auch bereits zu brauchbaren Ergebnissen? Dann brauchen Sie eventuell gar keine weitere "aktive" Kampagne zu starten. Wenn Sie die Ziele nicht erreichen, gewinnt die Aktivität an Priorität. Wir haben schon Kampagnen mit der Zielvorgabe entwickelt, 1.000 Anfragen im Monat zu erreichen. Da gewinnt die Priorität der zahlreichen Marketingmaßnahmen sehr stark an Bedeutung.

Leser: Gibt es ein erprobtes Vorgehen zwecks Stärken/Schwächen-Analyse gewonnener Franchise-Nehmer und der Ableitung geeigneter Qualifizierungsmaßnahmen?

Tino Stiffel: Öfter angewendet werden Persönlichkeitsanalysen, wie ich sie weiter oben kurz angeschnitten habe. Was aber nicht bei jedem System anwendbar ist. Wenn man daraus aber ein Persönlichkeitsprofil ableiten kann, lassen sich diese Erkenntnisse sehr gut anwenden. Zum einen bei der Auswahl der Kanäle, zum anderen (und vor allem hier) bei der Ansprache der Franchise-Nehmer-Zielgruppe. Denn jedes Persönlichkeitsprofil benötigt eine andere Ansprache, um auf eine Ebene mit ihm zu gelangen. Stark vereinfacht ausgedrückt: Wenn ich einen "Kopf-Menschen" ansprechen will, wähle ich eine komplett andere Art der Gestaltung Website / Broschüre als wenn meine Zielgruppe eher "Bauch-Menschen" sind.

Leser: Ich würde den Kandidaten am liebsten davon überzeugen, zuerst zu mir Kontakt aufzunehmen, um diesen dann beim Partner anzumelden. Dabei möchte ich den Kandidaten nicht beeinflussen, welchen Partner er sprechen will und ich möchte auch nicht im Vorfeld den gewählten Partner in seinen Aussagen beeinflussen, sondern einzig den Prozess steuern und das Gespräch beim Partner anmelden. Wie kann ich dies erreichen, ohne dem Kandidaten das Gefühl zu geben, hier ginge etwas nicht mit rechten Dingen zu?

Tino Stiffel: Schwierig, aber aus Ihrer Sicht verständlich. Wenn Sie sich aber in den Interessenten versetzen, erkennen Sie klar, dass hier eine Vertrauensfrage entsteht. Aber wenn Sie versuchen, das dem Interessenten genau so zu erläutern, versteht er es ja vielleicht. Wenn Sie ihm sagen, dass er als künftiger FN sicher auch dankbar wäre, wenn er vorher kurz informiert wird, bzw. vor einem solchen Gespräch ein konkreter Termin genannt wird, steigt wohl sein Verständnis. Denn jeder hat lieber einen konkreten Termin als dass er aus seiner täglichen Arbeit heraus gerissen wird.

Leser: Dann möchte ich meine Frage anders formulieren: Welche Themenbereiche sind für künftige Franchise-Nehmer so interessant, dass sie zur Qualifizierung von Leads genutzt werden können?

Tino Stiffel: Ein Themenbereich, der für FN immer interessant ist, sind seine Verdienstmöglichkeiten :) - aber genau hier gilt es ja, mit extremer Sorgfalt und Vorsicht zu kommunizieren... Insofern dient das wohl eher nicht zur Qualifizierung. Für Sie selbst werden wohl eher Themen wie Motiv/Beweggründe bzw. Motivation, Engagement, Fachwissen, Führungserfahrung und die Kapitalfrage wichtige Themengebiete sein, die es in der Qualifizierung von Leads abzubilden gilt.

Leser: Sie erwähnten bereits Salesforce, ein recht kostspieliges und komplexes Tool. Für uns muss das Programm erschwinglich sein und darf uns in der Konfiguration und im Handling nicht überfordern. Gibt es eine entsprechende Software für das Leadmanagement, die Sie empfehlen können?

Tino Stiffel: Hier kann ich Ihnen keine klare Empfehlung geben. Es gibt ja sehr viele Systeme für das Lead Management, schauen Sie, was zu Ihnen und zu Ihren Anforderungen und Budgets passt. Vielleicht genügt im ersten Schritt ja auch eine Excel- oder Access-Lösung, wenn es sich noch nicht um so viele Leads handelt.

Tino Stiffel: So, wir sind am Ende der Zeit angekommen. Und alle Fragen sind geschafft, puh :) - Ich danke Ihnen für die rege Mitarbeit. Und freue mich, von Ihnen zu einem spezifischen Thema auch gerne im Dialog zu hören oder lesen. Nun wünsche ich Ihnen schon einmal ein schönes langes Wochenende!

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