Autor: FranchisePORTAL-Redaktion
Zuletzt aktualisiert am: 03.08.2015
Inhaltsverzeichnis
Hermann Riedl war führender Verantwortlicher für
Franchising in Topmarken wie PepsiCo oder McDonalds sowie für weitere Retail-
und Handelsunternehmen. 2009 gründete er die Unternehmensberatung Riedl Consult.
Im Sommer 2015 gab er zusammen mit dem Fachanwalt Christian Schwenken das
vielbeachtete Buch „Praxisleitfaden Franchising“ heraus. Aus diesem Anlass baten
wir ihn um Statements aus seiner jahrzehntelangen Erfahrung in Aufbau und
Führung von Franchisesystemen.
FranchisePORTAL: Herr Riedl, Sie schreiben, dass
Franchisesysteme oft die „besseren Konzerne“ seien. Können Sie dies
begründen?
Hermann Riedl: Vergleichen wir zwei Filialsysteme: Beim Franchising betreiben selbstständige Unternehmer die Standorte. Das unterscheidet sie von Unternehmen, deren Filialen von angestellten Mitarbeitern geführt werden. Der Franchisegeber kann seine Expansion beschleunigen, da die Investitionen in den Filialausbau und -betrieb größtenteils von den Franchisenehmern getragen werden – und in das Personal sogar komplett.
Der Franchisegeber ist aus der Personalverantwortung der Filialen entbunden und hat keine Weisungsbefugnis gegenüber deren Mitarbeitern. Dadurch kann er seine Verwaltung mit weniger Personaleinsatz betreiben. Der Franchisenehmer schließlich erwirtschaftet sein Einkommen selbst. Es hängt davon ab, wie gut er sich vor Ort mit Kunden, Vereinen, Verbänden und Kommunen vernetzt und sich in Marketing, Verkauf und Umsatz engagiert. Dieses Engagement geht meistens deutlich über die Arbeitszeiten eines Angestellten hinaus. So positioniert er sich, das System und die Marke vor Ort aber auch weitaus gewinnbringender.
In erfolgreichen Systemen sorgen alle Franchisenehmer zusammen mit ihrem Einsatz für eine kommunikative Markenmacht und eine Macht der Kette . Sie lässt die Franchisemarke enorm an Wert und Bekanntheitsgrad gewinnen.
FranchisePORTAL: Franchisenehmer sind ein besonderer Typ
Unternehmer: nämlich Menschen mit Erfolgs- und Unternehmergeist, die sich
dennoch Regeln unterwerfen. Was aber zeichnet den Unternehmertyp des
Franchisegebers aus?
Hermann Riedl: Als Franchisegeber müssen Sie Menschen begeistern. Sie arbeiten mit freien Unternehmern statt Weisungsbefugten zusammen. Deshalb zählen hier umso mehr die Überzeugungskraft und das Talent, Gleichgesinnte einzubinden . Sie müssen eine klare Linie für das System festlegen und diese konsequent verfolgen. Dazu gehören Führungseigenschaften wie eine starke Persönlichkeit und Entscheidungsfreudigkeit zum Wohle des Franchisesystems.
Fordern Sie ruhig Ideen von Ihren Franchisepartnern ein, bündeln, selektieren und prüfen Sie diese. Behalten Sie dabei aber die grundsätzliche Prozessstruktur, die Produktsicherheit und die Philosophie bei. Denn das macht Ihre Marke erfolgreich, weil die Kunden sie damit identifizieren .
FranchisePORTAL: Franchising optimiert Prozesse auf
Zeit-, Personal- und Kosteneffizienz hin. Was vernachlässigen Franchisegeber
dabei am häufigsten?
Hermann Riedl: Franchisegeber verstehen es oft nicht, partnerschaftlich statt von oben herab, aber bestimmt und konsequent statt kollegial zu führen. Denn auf der anderen Seite fordern die stärksten Franchisenehmer häufig die Franchisegeber heraus: Bei einer schwachen Führung beschreiten sie Wege zu ihrem eigenen vermeintlichen Vorteil. Diese führen jedoch zu Nachteilen für das System als Ganzes und alle übrigen Franchisenehmer, die sich unterordnen. Auf dieses Problem reagieren Franchisegeber oft inkonsequent, um Ärger zu vermeiden . Das System verwässert so die Marke und verliert die operative Power der Kette. Die Verwaltung arbeitet mehr für die Handvoll mächtiger, störender Franchisenehmer statt für das Franchisesystem. Die Kreativität und Schlagkraft gegen Mitbewerber geht verloren. Der Umsatz verringert sich. Dafür schnellen die Kosten in die Höhe. Gleichzeitig verringert sich die Verzinsung des eingesetzten Kapitals und somit lahmt die Expansion, denn sie hängt von der Rendite für jeden einzelnen Franchisenehmer ab.
Junge Franchisesysteme investieren außerdem oft zu wenig in die strategische Planung , statt früh in der Expansionsphase vorausschauend die Fehlerquellen zu analysieren oder von Anfang an die richtigen Weichen für die Systementwicklung zu stellen. Meistens reagieren sie erst in der Hochphase der Expansion: Dann stellen sie das System auf den Kopf und hinterlassen meist Chaos. Die Franchisenehmer gehen dadurch erst recht ihre eigenen Wege. Wenn aber die Systemführung schwächelt, konzentriert sie sich nicht mehr auf Umsatz und Wachstum, sondern eher auf Flickschusterei bei den aufgerissenen Problemfeldern.
FranchisePORTAL: Wie findet ein Franchisenehmer heraus,
welches System am besten für ihn geeignet ist?
Hermann Riedl: Positives Merkmal vieler Systeme ist, dass sie keine spezielle Berufsgruppe oder Fachausbildung benötigen. In ihren Prozessen sind sie so durchdacht, dass das schwächste Glied sie umsetzen und die Marke tragen kann. Je weniger Qualifikationen die Franchisegeber einfordern, desto leichter fällt es ihnen, geeignete Kandidaten für eine erfolgreiche und gesunde Expansion zu finden, und desto leichter fällt den Franchisenehmern die Entscheidung für ein System.
Als Franchisenehmer erhalten Sie Einblicke in Franchisesysteme auf Fachmessen oder in Webportalen, aber auch auf der Straße selbst. Wenn Ihnen eine Marke ins Auge fällt und der Servicegedanke Ihre Neugier weckt, dann kann das System schon interessant sein. Lassen Sie sich aber nicht vom Schein und großen Worten blenden: Es geht um Sie als Unternehmer! Stellen Sie sich den Fragen: Wie verzinst sich mein eingesetztes Kapital nach meinem Unternehmergehalt? Wie wird das Unternehmen weiter expandieren? Wie und mit welchem Gewinn kann ich meinen Betrieb veräußern, wenn ich mich anderweitig orientieren will? Vor allem aber: Wie fördert mein Franchisegeber mich in meiner Entwicklung und wie stehen meine eigenen Chancen auf Expansion?
Sprechen Sie auf jeden Fall auch mit anderen Franchisenehmern über das System. Und zwar nicht nur mit denen, welche Ihnen die Franchisezentrale vorgibt.
FranchisePORTAL: …und an welchen Eigenschaften erkennt
ein Franchisegeber den besten „Nehmer-Kandidaten“?
Hermann Riedl: Jedes Franchisesystem braucht ein klares Anforderungsprofil für seine Partner. Es sollte auf die Arbeitserfordernisse im System, die Unternehmenskultur und die Franchisephilosophie abgestimmt sein.
Ein Beispiel: Für manche Systemgastronomie-Unternehmen kann es störend sein, einen Koch als Franchisenehmer zu verpflichten. Köche sind Gastronomie-Profis und entwickeln häufig mehr Kreativität am Produkt als Branchenfremde, die sich strikt an die Systemprozesse halten. Finden Sie aber einen Koch, der sich dem System unterordnet und die Prozesse konsequent umsetzt, kann er das System in der Weiterentwicklung durch seine Fachkompetenz enorm bereichern .
Übrigens ändert sich das Anforderungsprofil laufend – von der Gründungsphase über die ersten Partnerbetriebe bis hin zur größeren Expansion.
Lesen Sie hier den zweiten Teil des Interviews" Portalbereich="1
03.08.2015 ©opyright FranchisePORTAL (JK)